Nach den Wahlen in Brandenburg und Sachsen haben sich zwei Koalitionen aus CDU/SPD/Grünen gebildet, in Brandenburg unter Führung der SPD, in Sachsen unter Führung der CDU.
Bereits vor den Wahlen habe ich mich mit den Wahlprogrammen der Parteien (Brandenburg, Sachsen) auseinandergesetzt. Grund genug zu schauen, was es von den Positionen der künftigen Regierungsparteien in den jeweiligen Koalitionsvertrag geschafft hat und was also LGBTIQ* (Lesben, Schwule, Bisexuelle, Trans*, Inter*, Queers) in den nächsten Jahren in Brandenburg und Sachsen zu erwarten haben.
Beginnen wir bei Sachsen: Hier konnten (oder wollten) sich Sozialdemokrat*innen und Bündnisgrüne in keinem Punkt mit ihrem Forderungen durchsetzen. Weder die Forderung nach Schulaufklärungsprojekten (Bündnis 90 / Die Grünen) noch die Implementierung von Fachberatung für Senior*innen (SPD) fanden Eingang in den Koalitionsvertrag. Das zeigt sich bereits in dessen Präambel, in der Sexuelle Orientierung mehr oder weniger explizit keinen Eingang erhält: „Sachsen ist Heimat für alle Menschen, die füreinander einstehen und die sich in ihrer Vielfältigkeit einbringen. Wir sind ein offenes und tolerantes Land, das Wert auf seine Kunst und Kulturlandschaft legt, die wir bewahren wollen. Unabhängig von Alter, Wohnort oder Geschlecht, soll sich jede und jeder frei und mit gleichen Chancen entfalten sowie sich für unser Gemeinwesen engagieren können.“
Die Mainstreamforderung nach einem Verbot von sogenannten Konversionstherapien ist inhaltlich der einzige Punkt, der sich explizit an Schwule und Lesben richtet. Projekte gegen Diskriminierung aufgrund sexueller Orientierung sucht der Vertrag der drei Parteien nur im Sport: „Gemeinsam mit den sächsischen Sportverbänden werden wir die erfolgreichen Projekte gegen Diskriminierung, beispielsweise von sexueller Orientierung, und gegen gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit und sexualisierte Gewalt auch im Kinder- und Jugendbereich fortsetzen und intensivieren.“
Einzig minimaler Lichtpunkt ist, dass die Definition des Familienbegriffes erweitert wurde, jedoch nicht ohne ihn danach gleich wieder einzuschränken und auf eine biologistische Form zu fokussieren. Das dabei der „Schutz des ungeborenen Lebens“ erster Punkt der Familienagenda ist, spricht für sich: „Familie ist überall dort, wo Menschen gegenseitig und auf Dauer füreinander Verantwortung übernehmen. Die Kindererziehung ist zuvörderst Aufgabe der Eltern. Jede Familie soll nach ihren individuellen Vorstellungen leben können.
[…] Der Schutz des ungeborenen Lebens ist uns ein hohes Gut. […]“
Ganz anders macht es das SPD-geführte Bündnis in Brandenburg: Es setzt explizit auf ein modernes Familienbild: „Familien sind das Rückgrat unseres Landes. Familie ist da, wo Kinder sind, wo Menschen ihr Leben miteinander teilen und wo Generationen füreinander Verantwortung tragen. Die Koalition fördert eine zielgruppengenaue Familienpolitik, für die Mutter-Vater-Kind(er)-Familie, für Alleinerziehende, Patchwork-, Pflege- oder Regenbogenfamilien.“
Der Koalitionsvertrag erklärt, dass die Arbeit der letzten Jahre, insbesondere das Konzept „Queeres Brandenburg“, fortgesetzt werden sollen. Diesem Anliegen widmet der Koalitionsvertrag unter der Überschrift „Queer in Brandenburg“ ein eigenes Kapitel, obwohl er vom Umfang her deutlich kürzer als der sächsische ist. Konkret heißt es: „Die Vielfalt von Lebensentwürfen von Lesben, Schwulen, Bi- und Transsexuellen, Transgendern, Intersexuellen und Menschen, die sich als Queer verstehen (LSBTTIQ*), soll im Land Brandenburg sichtbarer und selbstverständlicher werden. Es gilt, jegliche Diskriminierung zu verhindern und Akzeptanz zu fördern. Die Koalition sieht im Aktionsplan ‚Queeres Brandenburg‘ eine wichtige Grundlage für queeres Leben in Brandenburg. Neben der konsequenten Umsetzung wird der Aktionsplan in seinen Maßnahmen und Projekten konkretisiert und in einem Dialogprozess verbessert. Eine landesweite Koordinierungsstelle wird weiterhin gefördert. Der Aktionsplan wird regelmäßig evaluiert und darüber berichtet. Partizipative Projekte werden in die Fläche Brandenburgs getragen. Das Projekt „Schule unterm Regenbogen“ wird fortgeführt. Die Koalition wird das Projekt „Regenbogenfamilien in Brandenburg“ stärken und ausbauen. Familienzentren und Beratungseinrichtungen werden für die Belange von Regenbogenfamilien und Trans*kindern sensibilisiert.
Hasskriminalität stellt sich die Koalition entschieden entgegen. Wir werden die Arbeit von LSBTTIQ*-Anti-Gewaltprojekten, auch im Rahmen der Integration, angemessen fördern und Opferhilfe-Einrichtungen ausreichend unterstützen. Homo- und trans*feindliche Straftaten werden statistisch erfasst.
Die Koalition entwickelt eine Handreichung für die Verwaltung zum Umgang mit LSBTTIQ*-Menschen. LSBTTIQ*-Themen werden in die Zuständigkeiten der Landesgleichstellungsbeauftragten eingebunden. Die Arbeit der Akteurinnen und Akteure in den Vereinen und Verbänden, die sich in allen gesellschaftlichen Bereichen engagieren, wird, durch die jeweils zuständigen Fachministerien, beim Auf- und Ausbau von Strukturen unterstützt.
Der auf Bundesebene geplante Aktionsplan wird mit den bereits erarbeiteten Strukturen des Landes abgestimmt. Das bundespolitisch geplante Verbot von Konversionstherapien wird durch die Koalition unterstützt.“ Das ist so viel Konkretes mehr als in Sachsen! Bleibt zu konstatieren: In Sachsen wird der Rechtsruck auch im aktuellen Koalitionsregierung deutlich. Wenn es nach dem Koalitionsvertrag geht, werden LGBTIQ* dort in den nächsten Jahren keine Unterstützung erwarten dürfen. Das ist gerade für junge Queers außerhalb der drei großen Städte ein ernsthaftes Problem, da sich dort – insbesondere in Ostsachsen – in den letzten Jahrzehnten eine rechts(-extreme) Hegemonie etabliert hat. Ein Lichtblick ist hier immerhin, dass explizit ein „Gesamtkonzept gegen Rechtsextremismus“ benannt und ausgeführt wird – von der Bekämpfung rechtsextremer Strukturen werden auch geschlechtliche und sexuelle Minderheiten profitieren können. In Brandenburg werden dagegen intelligent vorhandene Projekte weitergeführt und entwickelt. Offensichtlich ist das dort auch mit einer CDU möglich.
Natalie meint
Vielen Dank für diesen Artikel.
Der Rechtsruck ist Sachsen ist wirklich erschreckend, finde ich. Schön, dass es dieses „Gesamtkonzept gegen Rechtsextremismus“ gibt. Ich bin gespannt, was daraus dann konkret noch weiter entsteht.
Liebe Grüße
Natalie