Die Comisión de Bombardero ( Kommission zur Aufarbeitung der Bomardierung) wurde 1977, 2 Jahre nach dem Tode Francos formell gegründet. Erste Treffen und Initiativen gab es ab 1976 (Franco starb 1975).
Xabier Onaindia, Junjo Ixaguierre und Carmelo Landa (von links nach rechts im Video) erzählten uns vom Beginn der Arbeiten, dem langen – immer noch andauernden Schweigen, dem Vertuschen, neuen Erkenntnissen und der Zusammenarbeit mit anderen Initiativen, aber auch von Folter und Verhaftungen in der post-franquistischen Ära, von der sie teilweise selber betroffen waren. „Die Lüge ist bis heute aktuell.“, so Carmelo Landa zum Umgang des spanischen Staates mit Gernika.
Hier das vollständige Video, wie auch schon beim Besuch bei der Gewerkschaft LAB übersetzt und hilfreich kommentiert von Andreas und Klaus von Baskale. Vielen Dank dafür.
Auch hier möchte ich zudem schriftlich auf Kernpunkte der zweistündigen Debatte eingehen und diese wiedergeben.
Auch über 40 Jahre nach dem Tod Francos, 80 Jahre nach der Bombardierung Gernikas sind viele grundlegende Fragen ungeklärt. Das betrifft vor allem die Zahl der Opfer, aber auch die Klärung von Verantwortlichkeiten. Noch immer sind Archive unter Verschluss. Noch immer hat die spanische Regierung die Bombardierung Gernikas nicht als Fakt anerkannt.
Nach der Bombardierung Gernikas wurden mit hohem Aufwand Beweise der Bombardierung beseitigt und wurden Scheinbeweise installiert, die nachweisen sollten, dass die Linke, die Basken selbst Gernika in Brand gesetzt hätten. Diese Lüge wurde brachial verteidigt. Eine Rede über das was wirklich in Gernika geschah, führte 40 Jahre lang zu Verhaftung oder schlimmerem.
Ab 1976 wurden durch Aktive, aus denen die Comisión de Bombardero hervorging Augenzeug_innenberichte gesucht und Journalist_innen eingeladen. Die Reaktion war enorm. Vor allem die ausländische Presse war sehr interessiert. Seitdem gibt es regelmäßige Veranstaltungen, wurden Kontakte aufgebaut. Erste wissenschaftliche Abhandlungen erschienen und erscheinen fortlaufend, die immer detaillierte und genauer die Täter benennen. Nichtdestotrotz gibt es auch heute noch Berichte in spanischen Zeitungen, die die Lüge der Selbstzerstörung verbreiten.
Gerade frisch erschienen ist (leider bisher nur in spanisch) eine Arbeit von Xabier Irujo, der neue Fakten nennt: Demnach muss von ca. 2000 durch die Bombardierung umgekommenen Menschen ausgegangen werden. Der Oberbefehl über den Angriff kam nachweislich von Franco persönlich (bisher hat die spanische Rechte immer argumentiert, das Gernika ein bedauerlicher deutscher Einzelgang gewesen sei). Die Bomben wurden sehr tief abgeworfen. Teilweise nur 60 Meter über dem Boden flogen die Mordmaschinen. Sie wussten genau was sie taten. Ziel war die Zerstörung Gernikas, nicht die Zerstörung der Brücke (wie vielfach behauptet; Die Brücke wurde im brigen auch nicht zertört.). Ziel war, so viele Menschen wie möglich zu ermorden. Zuerst flogen Maschinen, die 250-Kilo Bombenabwarfen und das Ziel hatten, die Dächer und Mauern der Häuser zu zerstören. Dann folgten Brandbomben und Jagdflieger, die gezielt auf Flüchtende schossen.
Als die Comisión de Bombardero geründet wurde, hatte sie drei Forderungen, die bis heute nicht erfüllt sind:
- Die historische Wahrheit der Bombardierung wird anerkannt und die Verantwortung dafür entsprechend zugewiesen.
- Gernika wird Stadt der Kultur und des Friedens.
- Das Picassobild „Guernica“ wird nach Gernika überführt (Guernica Gernikara).
Haupthindernis einer Aufarbeitung ist bis heute das Amnestiegesetz, welches mit dem Übergang Spaniens nach Franco verabschiedet wurde. Es verhindert jegliche Aufarbeitung und verstößt gegen das Völkerrecht, konkret die Menschenrechtskonvention. Dieser Völkerrechtsverstoss führt jedoch dazu, das in jedem Land weltweit Anklagen erhoben werden können. Das ist nun geschehenen. Ein Bürger mit argentinischem Pass hat in Argentinien Klage eingereicht. Die ermittelnde Staatsanwältin ist nun häufig in Spanien unterwegs, massiv behindert vom spanischen Staat. Nichtsdestotrotz haben sich zahlreiche Kommunen, wie Barcelona und demnächst Madrid der Klage angeschlossen. Der erste Versuch einer juristischen Aufarbeitung ist nicht mehr aufzuhalten. Allein das reicht nicht.
Konkret ist jetzt notwendig:
- Abschaffung des Amnestiegesetzes, um die Verfolgung der Täter der Franco-Diktatur endlich zu verfolgen und aufzuarbeiten.
- Öffnung aller Archive
- Unterstützung der argentinischen Klage auf allen Ebenen
Aber auch nach Franco hörten die Repressalien nicht auf. 40.000 Menschen (bei nur 3 Millionen Einwohner_innen wurden in den letzten 40 Jahren aus politischen Gründen verhaftet, davon 7.000 nachgewiesenermaßen gefoltert. Eine Demokratie ist Spanien nicht.
Daher bleibt nur abschließend das Statement von Carmelo Landa zu wiederholen:
„Wenn es einen Krieg gibt, und wenn auf den Krieg Lügen folgen und wenn ein vierzigjähriges eisernes Schweigen verordnet wird über alles, was in der Zeit passierte, dann ist ein langsamer Prozess hin zu einer Demokratie nicht möglich, sondern es erfordert einen Bruch. Ein Bruch ist notwendig mit dem Vergessen, mit dem Schweigen und ein Beginn der Aufarbeitung der Wahrheit.[…] Wenn dieser Bruch nicht erfolgt, bleibt alles mehr oder weniger beim Alten“ Carmelo Landa, Gernikan Batzordea
Zum Weiterlesen sei die im AK Regionalgeschichte erschienene Broschüre Kriegsfolgen empfohlen.
Dies war Teil Fünf meines Videoblogs zu Gernika 2017.
Die Einleitung findet sich hier.
Teil 2 – Treffen mit der Gewerkschaft LAB
Teil 4 – Die Zeit des Schweigens durchbrechen
Teil 5 – Die Lügen sind bis heute aktuell
Teil 6 – Abschluss independentzia – Unabhängigkeit