Am Morgen des 27.11. haben die potentiellen Koalitionspartner CDU, CSU und SPD einen Koalitionsvertrag vorgelegt. Aus queerer Perspektive ist er ernüchternd. Bereits in der Präambel (wobei es schon ein Fortschritt ist, dass gleichgeschlechtliche Partnerschaften dort erwähnt werden) erfolgt eine klare Abgrenzung zu Ehe und Familien (im heterosexuellem Sinne). Diese sollen gestärkt, während Lesben und Schwule mit Respekt auskommen sollen. Konkret heißt es: „ Unsere Gesellschaft braucht starke Familien. Deshalb wollen wir Ehe und Familie stärken. […] Gleichgeschlechtliche Partnerschaften sollen Respekt und Anerkennung erfahren.“
Im Kapitel Familie stärken wird es hingegen etwas besser. Hier wurde die sexuelle Identität als Nichtdiskriminierungsmerkmal aufgenommen (wobei nicht klar ist, was Identität sein soll – eine Festschreibung auf starre unveränderliche Normen funktioniert hier nicht). „Wohlergehen und Fortschritt in unserer Gesellschaft bemessen sich auch daran, wie Menschen miteinander leben, arbeiten und umgehen. Wir wollen das Miteinander aller Menschen in unserem Land fördern, unabhängig von ihrer religiösen, politischen, weltanschaulichen oder sexuellen Identität. Wo Menschen dauerhaft füreinander Verantwortung übernehmen, wollen wir sie unterstützen.“
Lesben, Schwulen, Inter- und Trans*menschen wird im Anschluss ein eigenes Kapitel ‚Sexuelle Identität respektieren‘ spendiert. Allerdings kommen die Koalitionär_innen nicht über Floskeln, wie sie sich auch schon in vergangenen Legislaturen finden hinaus. Ein vager Diskriminierungsabbau – da war der Koalitionsvertrag zwischen CDU/CSU und FDP genauer – auch wenn er nicht umgesetzt wurde. Im Adoptionsrecht wird es keine Verbesserungen über die gerichtlichen Notwendigkeiten hinaus geben. Einzig positiver Aspekt ist die geplante Erweiterung der bundesweiten Programme gegen Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus um die Bestandteile Homophobie und Transphobie. Viel schwerer als diese wenigen Worte, die zu keinen Änderungen führen werden – sofern sie Gerichte nicht einfordern – wiegt jedoch, der Beschluss, die Rechte von Intersexuellen erst einmal weiter zu evaluieren und ggf. anzupassen. Damit bleiben sie weit hinter den eh schon schwachen Forderungen des Ethikrates zurück. Ein Verbot von geschlechtsvereindeutigenden Operationen im Kindesalter ist offensichtlich vom Tisch. Die Abschaffung des Transsexuellengesetz ist überhaupt kein Thema mehr. Hier wird Diskriminierung fortgeschrieben werden.
Im Vertrag heißt es: „Wir wissen, dass in gleichgeschlechtlichen Partnerschaften Werte gelebt werden, die grundlegend für unsere Gesellschaft sind.
Wir werden darauf hinwirken, dass bestehende Diskriminierungen von gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften und von Menschen auf Grund ihrer sexuellen Identität in allen gesellschaftlichen Bereichen beendet werden. Rechtliche Regelungen, die gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften schlechter stellen, werden wir beseitigen. Bei Adoptionen werden wir das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Sukzessivadoption zügig umsetzen.
Die Arbeit der „Bundesstiftung Magnus Hirschfeld“ werden wir weiter fördern.
Wir verurteilen Homophobie und Transphobie und werden entschieden dagegen vor-gehen.
Wir werden den „Nationalen Aktionsplan der Bundesrepublik Deutschland zur Bekämpfung von Rassismus, Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus und darauf bezogene Intoleranz“ um das Thema Homo- und Transphobie erweitern.
Die durch die Änderung des Personenstandrechts für intersexuelle Menschen erzielten Verbesserungen werden wir evaluieren und gegebenenfalls ausbauen und die besondere Situation von trans- und intersexuellen Menschen in den Fokus nehmen“
Zusammengefasst: Der Entwurf bleibt hinter den ohnehin schon geringen Erwartungen zurück. Formulierungen kommen nicht über vage Lippenbekenntnisse hinaus, die nicht ausreichen werden, den Widerstand bei konkreten Forderungen gegen CDU/CSU zu brechen. Es werden wieder 4 Jahr Stagnation bei dringend notwendigen Verbesserungen folgen. Insbesondere Inter* und Trans* werden unter den Folgen dieser Koalition zu leiden haben.
[…] Ähnlich gruselig wie für Lesben und Schwule, sowie insbesondere Inter* und Trans* zeigen sich die Äußerungen im Koalitionsvertrag in Bezug auf Militär und Kriegsführung. Bundeswehr Monitoring hat alle relevanten Stellen herausgesucht. […]