Am 26. Oktober findet eine Karrieremesse für Lesben und Schwule statt, im Music & Lifestype Hotel nhow in Berlin: Entsetzlich und selbst die Siegessäule wirbt dafür. Jung dynamisch und erfolgsorientiert, so sollen sich gut ausgebildete Lesben und Schwule präsentieren. Zielgruppenorientiert feiern sich die überwiegend global agierenden Konzerne die zur Messe einladen als tolerant und weltoffen. Diversity wird als Element der Mitarbeiter_innenwerbung wahrgenommen und genutzt.
So weit so gut oder schlecht. Das wäre noch kein Grund einen Artikel zu schreiben, auch wenn es schon zu Widerstand in einer queeren Community führen sollte, wenn geschlechtliche und sexuelle Vielfalt vermarktet werden soll und es darum geht, Mitarbeiter_innen besser und vollständiger als „Humanressourcen“ auszubeuten.
Jedoch haben nicht nur Unternehmen, die sich schon lange Diversity auf die Fahnen schreiben, die Messe für sich entdeckt, sondern auch das „Deutsche Heer“, wie sich die Bundeswehr in Traditionspflege auf ihrer Homepage nennt. Bundeswehr als tolerant und offen? Klar ist, dass die Errungenschaften der Frauen-/Lesbenbewegung und der Schwulenbewegung mittlerweile in Herrschaftsstrategien integriert wurden. So wird die vermeintliche Durchsetzung von Homosexuellenrechten und Frauenrechten oft als Kriegsgrund angeführt – denken wir etwa an den Krieg gegen Afghanistan. Es geht um ganz andere Interessen, was schon daran deutlich wird, dass zu den Verfechter_innen von Frauen- und Homosexuellenrechten in Afghanistan gerade Leute wie Horst Seehofer gehören, die sich in der Bundesrepublik Deutschland massiv gegen Homosexuellenrechte und selbst gegen die Gleichstellung der Frauen wenden. Eine solche Akteurin instrumentalisierten Streitens ist auch die Bundeswehr.
‚Emanzipation‘ gilt als Notwendigkeit für die Außendarstellung – und daher auch die Werbung unter Lesben und Schwulen. Gleichzeitig hat die Bundeswehr mittlerweile ein Problem: Obwohl sie immer mehr Geld investiert, um Soldat_innen zu werben, ist sie damit nicht erfolgreich. Bisher konnte sie nur einen Bruchteil der anvisierten Jugendlichen gewinnen, die sie rekrutieren wollte. Immer mehr junge Menschen entscheiden sich gegen die Armee – junge Menschen leben lieber bunt als soldatisch. Weder der soldatische Gehorsam sind attraktiv, noch die Aussicht auf jeden Fall in militärische Auslandseinsätze zu müssen. Zugleich erscheint die Bundeswehr jungen Menschen eher als eine Art ‚Sekte‘: Hat man einmal einen Vertrag unterschrieben und die ersten sechs Monate zum Widerruf versäumt, ist es äußerst schwer, wieder aus dem Vertrag herauszukommen. Egal was ist – ob mensch eine_n oder mehrere Freund_in_nen kennenlernt, ein Kind bekommt und sich zum Beispiel deshalb nicht mehr vorstellen kann, andere Menschen zu töten –, so ist man doch verpflichtet und kommt oft über 12 oder 16 Jahre nicht mehr aus dem Vertrag raus.
Bundeswehr stellt sich gern als ‚tolle Truppe‘ dar, weckt Technikbegeisterung und will gerade nicht alte Männlichkeitsrollen oder gar das Bild des ‚vergewaltigenden Soldaten‘ erfüllen. Dazu dienen Werbemaßnahmen, auch unter Schwulen und Lesben. Dass junge Menschen töten und sterben lernen sollen, dass sie eben nicht in einem ‚Arbeitsverhältnis‘ sind, sondern sich in einen restriktiven Vertrag begegeben, aus dem kaum ein Entrinnen ist, wird nicht oder nur ganz randständig thematisiert. Aber warum geben sich lesbische und schwule Einrichtungen und Medien dafür her, für Militär zu werben? Die Aktivist_innen der Frauen-/Lesbenbewegung, der Schwulenbewegung – etwa die Kämpfer_innen in der Christopher Street, u.a. Sylvia Rivera und Marsha P. Johnson – würden entsetzt sein. Keine Militarisierung der Gesellschaft! Keine Werbung für das Militär!
Stuart meint
Lieber Ralf, Du verdrehst leider die Fakten über die Messe. Die Bundeswehr war gar nicht mit Stand vertreten, sondern es wurde eine Speakerin eingeladen, die als Frau in einer männerdominierten Branche über ihre Erfahrungen berichtete. Die Messe richtet sich übrigens an Schwule, Lesben und Heteros und alle die ein offenes Arbeitsklima suchen. Neben den global agierenden Firmen sind auch kleinere und lokale Unternehmen auf der Messe präsent. Komm nächstes Jahr einfach mal selbst auf die Messe vorbei.
verqueert meint
@Stuart Ich habe überhaupt nicht behauptet, das die Bundeswehr mit einem Stand vertreten war, sondern dass sie Werbung machen konnte, was Sie ja auch offensichtlich nicht abstreiten. Insofern habe ich nichts zurückzunehmen.