Der Spagat zwischen Mythos und Realität
Under Armour („Unter der Rüstung“) hat zwei Gesichter, das martialische und soziale.
Ein Gastbeitrag von Dirk Hogess
Geballtes wirtschaftliches Kalkül mit sozialen Beibrot
Der FC St. Pauli geht mit einem neuen Ausrüster in die nächste Saison, aber stellt der Deal nicht die Glaubwürdigtkeit der Braun-Weißen in Frage.
Nächstes Jahr zieht der FC St Pauli mit Under Armour in die Fußballschlacht
In dieser Saison verteidigt und stürmt der FC St. Pauli noch mit dem dänischen Sportausrüster Hummel. Der Zweijahresvertrag mit Sportartikelhersteller Hummel von 2014-2016 hatte für den Verein einen Wert von 500000 Euro. Laut dem „manager magazin“ hat US-Newcomer Under Armour den jetzigen Trikot-Ausrüster Hummel überboten, auch wenn Hummel ihr Angebot stark verbessert hat, um weiterhin Trikot-Ausrüster zu sein. Der US-Sportartikelhersteller Under Armour wird ab der Saison 2016/2017 den Fußball-Zweitligisten FC St. Pauli ausrüsten. Diese beginnt ab dem 1. Juli 2016 und umfasst die komplette Ausrüstung von Trikots bis zur Trainingsbekleidung von der Profimannschaft bis zur U10. Wie aus der Deutschland-Zentrale in München verlautet, ist der Vertrag langfristig angelegt. Grund ist ein Ausrüstervertrag, der dem Zweitligist erhebliche Mehreinnahmen einbringt.
Die US-Firma “ Under Armour“ hat einen fragwürdigen Ruf, verdient Millionen mit militärischer Funktionswäsche und Jagdkleidung. Der Deal wurde bereits letztes Jahr im Sommer eingetütet und spült dem Kiez-Klub pro Jahr 1,5 Million Euro in die Vereinskasse. Das ist viel Holz. Zuletzt schloss die Firma laut US-Medien einen Vertrag über 4,2 Millionen US-Dollar mit dem amerikanischen Verteidigungsministerium ab. Die Firma unterstützt verschiedene umstrittene Jagdshows. Die Sportmarke Under Armour ging Anfang Dezember letzten Jahres auch in der Bundesrepublik an den Start. Mit dem Büro in Thalkirchen will die Marke ihre Präsenz in der Bundesrepublik und Österreich ausbauen. Auf einem ehemaligen Rangierbahnhofsareal im Isarwinkel in München sind ab sofort in einem zweistöckigen Gebäude das Marketing- und Salesteam für Deutschland und Österreich von der US-Firma untergebracht. Konzernchef Kevin Plank rief in München den Großangriff auf Platzhirsch Adidas aus – bleibt beim Fußball-Sponsoring aber zweitklassig. Vorerst? Kevin Plank Gründer von Under Armour vor genau 20 Jahren, sagt markige Sätze wie „Wir wollen die Nummer eines unter den globalen Sportmarken werden“. Der Start 1996 begann jedoch in der Nische, mit atmungsaktiver Spezialwäsche für Footballspieler – und 60.000 Dollar Startkapital. Kevin Plank der jetzt 42-Jährige Firmengründer eine klassische Tellerwäschergeschichte-jetzt ist er mittlerweile Milliardär. Dem in Baltimore ansässigen Unternehmen wird eine Nähe zur mächtigen Waffenlobby National Rifle Association (NRA) nachgesagt, es wirbt in Nordamerika auf der Homepage mit martialischen Bildern und sponsert im US-Fernsehen Jagdsendungen, in denen es nur darum geht, Tiere als Trophäen zu erlegen. Under Armour führt eine ganze Linie mit Kleidung und Accessoires im Militär-Style. Auf seine Website preist das Unternehmen diese mit Soldaten in Kampfmontur an. Der Handwarmer für die Winterkampfausbildung ist bei US-Soldaten beliebt und an der Hüfte zu sehen.
Die Marke hat eine Linie mit US-Flaggen und dem Aufdruck «Army», die GIs im Irak und Afghanistan schwören auf Under-Armour-Unterwäsche und Veteranen bekommen auf Artikel zehn Prozent Rabatt. Allerdings gilt es festzuhalten, dass auch andere Sportartikelhersteller Soldaten einkleiden und fragwürdige PR-Maßnahmen im Programm haben. Letztes Jahr im Sommer war eine größere Abordnung des FC St. Pauli in der Konzernzentrale von Under Armour (UA) in Baltimore im US-Bundesstaat Maryland zu Besuch, darunter Geschäftsführer Andreas Rettig, Vizepräsident Joachim Pawlik, aber auch Fanvertreter, denn die Thematik ist brisant. Die Gespräche und Workshops vor Ort seien „sehr konstruktiv und von Offenheit und Transparenz geprägt“ gewesen, so Pawlik, der bei dem Deal, der im Juli offiziell besiegelt worden war, federführend war. Under Armour wolle auch Sozialprojekte des Vereins unterstützen. Hebt der Pauli-Boss Oke Göttlich hervor. „Wir freuen uns, dass Under Armour nicht nur unser neuer Ausrüster ist, sondern wir die Partnerschaft auf die Bereiche soziales und stadtteilbezogenes Engagement und Athletiktraining ausweiten“, sagte Göttlich nach Vertragsabschluss im Sommer 2015. Beide Seiten stünden für Leidenschaft, Innovation und Offenheit für unkonventionelle Denkweisen. „Under Armour liebt es, die Dinge anders zu sehen als die Konkurrenten. Eine Einstellung, die dem FC St. Pauli sehr nahe kommt. Dazu Geschäftsführer Andreas Rettig: „Nach einer Marktanalyse und der Auseinandersetzung zu allen kritischen Punkten sowie einer offenen und transparenten Diskussion mit allen relevanten Gremien des Vereins und der Fanszene haben wir uns entschlossen, Under Armour als neuen Ausrüster zu wählen, weil das Gesamtpaket das Beste für den Verein ist. FC St. Pauli Fan-Vertreter stehen zu Ausrüster-Deal mit „Under Armour“. Vertreter des Fanclubsprecherrat (FCSR) hatten beim Besuch der „Under Armour“-Zentrale in Baltimore zur St. Pauli-Abordnung gehört. Man habe sich „postvertraglich und auf Einladung des Vereins entschlossen, den Weg des beratenden, kritischen und entwickelnden Gremiums zu übernehmen“, heißt es in einem publizierten Statement. Wohl wissend, dass man nur solange zur Seite stehen könne, „wie die negativen Merkmale des Ausstatters uns nicht über Gebühr strapazieren“. Dass die Thematik auch in Fankreisen schon lange sehr kontrovers diskutiert wird, ist kein Geheimnis. Und so klingt das Fazit zwar offen, aber nicht restlos überzeugt: „Im Vertrauen, dass unser junges Präsidium und der Aufsichtsrat die Interessen des FC St. Pauli fest im Blick haben, glauben wir, hier die richtige Entscheidung getroffen zu haben.“ Öffentliche Kritik zum Sponsorendeal kam bisher nur vom Ex-Trainer Holger Stanislawski- über die neue Ausrichtung des Kultklubs aus Hamburg: „Dass St. Pauli mit einem Ausrüster zusammenarbeitet, der mit Waffen wirbt – dafür wären wir früher vom Hof gejagt worden…“. Mittlerweile ist Stanislawski sogar seine vom Klub geschützte Rückennummer 21 egal: „Meinetwegen können sie die ruhig weitergeben.“ Im Herzen habe er den Kiez-Klub trotz aller Kritik aber immer noch. Auch auf der Jahreshauptversammlung Mitte November 2015 stieß der neue Ausrüstervertrag mit der US-Firma Under Armour (Unter der Rüstung), die Millionen Dollar mit militärischer Funktionswäsche und Jagdkleidung verdient auf Kritik. Wenn auch nur ein Mitglied rief zum Kauf-Boykott des Trikots auf. Göttlich beteuerte, die Firma habe keine Beziehungen zur US-Waffenlobby. Früher hätte das für reichlich Diskussionsstoff gesorgt. Für Under Armour ist der St. Pauli Sponsoringvertrag ihr erstes bedeutendes Sponsoring in Deutschland, nachdem ihr Ausrüstervertrag mit Hannover 96 2011 ausgelaufen ist. Under Armour war von 2008 bis 2011 Hannovers Trikot-Ausrüster. Der US-Sportartikel-Anbieter hat für die kommenden Jahre eine Europa-Offensive angekündigt.
Zum Expansionskurs des US-Unternehmen wurde mit der Otto-Tochter Sport Scheck hat Plank einen Vertrag über sogenannte Shop-in-Shop-Flächen unterzeichnet. Kürzlich präsentierte Under Armour die Vision von Hightech-Sportartikeln während einer Vorstellung im Hauptsitz in Baltimore. Dabei sollen Sensoren in Kleider eingebettet werden, die dann allerlei Daten über das Befinden des Sportlers messen können. „Under Armour hat selbstbewusste Expansionspläne für den deutschen Markt“, sagt Dietmar Kruse, Europachef von Ebiquity. „Aber aus Mediasicht spielt das Unternehmen in Deutschland bisher kaum eine wahrnehmbare Rolle.“ Während Adidas (14,5 Milliarden Euro Umsatz) seit Anfang vergangenen Jahres laut der Studie mehr als 23 Millionen Euro in Werbung im deutschen Markt gesteckt hat, kam Under Armour im gleichen Zeitraum auf nur 216.485 Euro. Letztes Jahr Dezember startete Under Armour mit „Slay your next Giant“ ihre erste Fußballkampagne im deutschsprachigen Raum. Gesichter der Kampagne sind Memphis Depay von Manchester United, Cameron Carter-Vickers aus der Akademie der Tottenham Hotspurder zusammen mit Amateursportlern und Jugendlichen in diversen Videoclips zu sehen sein wird. Das verstärkte Engagement im Fußball ist Teil der globalen Wachstumsstrategie, mit der Under Armour den Abstand zu den Wettbewerbern verkürzen will. Under Armour ist vergangenes Jahr um 28 Prozent gewachsen und kommt nun auf umgerechnet 3,7 Milliarden Euro Umsatz. Der Branchenprimus Nike steht unangefochten an der Spitze, der globale Sportmarken. Dahinter folgt mit einigem Abstand Adidas, dann Under Armour und dann Puma mit dem Raubtier-Logo. Die Franken waren bisher die Nummer drei der Sportindustrie. In den USA hat Under Armour den deutschen Rivalen Adidas als Nummer zwei in den Sportgeschäften bereits abgelöst. Darüber hinaus will der börsennotierte US-Konzern in den kommenden Jahren auch Ausrüsterverträge mit Erstligisten abschließen. Oben auf der Wunschliste steht Borussia Mönchengladbach. Aber auch erste Kontakte zum FC Schalke 04 hat es nach Informationen von manager magazin gegeben. So sind die Amerikaner als Sponsor von Bayer Leverkusen im Gespräch, Plank soll sich auch für Bayern-Star Thomas Müller interessieren.