Die traditionsreichste deutsche Friedensorganisation warnt für Friedensproteste im Herbst vor einer Unterwanderung von und Zusammenarbeit mit politisch rechten Gruppen und solchen aus dem Verschwörungsspektrum. Frieden kann nicht mit menschenfeindlichen Gruppen erstritten werden.
Der völkerrechtswidrige russische Angriffskrieg auf die Ukraine, das tägliche Töten in diesem und anderen Kriegen oder die massive Aufrüstung der Bundeswehr: In diesem Herbst gibt es viele wichtige Gründe auf die Straßen zu gehen und für eine andere – friedlichere – Politik zu demonstrieren.
Auch viele der rund 3.600 Mitglieder der „Deutschen Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen“ (DFG-VK), der 1892 von Bertha von Suttner gegründeten ältesten deutschen Friedensorganisation, planen bereits Proteste. Dabei gilt es allerdings wachsam zu sein.
Rechtsextreme Gruppen und Einzelpersonen haben bereits angekündigt, jegliche Proteste im Herbst unterwandern zu wollen – in Leipzig haben rechte Gruppen dies Anfang September bereits versucht. Verschärft sich die Pandemielage erneut, könnten auch Anhänger*innen von Verschwörungsmythen versuchen Friedensproteste zu missbrauchen, um ihre kruden Positionen zu verbreiten. „Wenn Menschen, die die Gesundheit anderer Personen gefährden, für Frieden auf die Straße gehen, ist das verlogen – diese Menschen sind nicht solidarisch, sondern nehmen Erkrankungen anderer Menschen in Kauf“, so DFG-VK-Bundessprecher Ralf Buchterkirchen.
Vereinnahmungsversuche der sogenannten Querfront sind dabei nichts Neues: Bereits während der russischen Annexion der Krim 2014 gab es Versuche rechter Kräfte mit Friedensgruppen zusammenzugehen. „Darauf haben sich einige Gruppen leider eingelassen, was den verbliebenen linken Friedensgruppen noch bis heute schadet“, resümiert Buchterkirchen. Die DFG-VK wehrte sich schon damals dagegen und wurde dafür u.a. von dem reichweitenstarken Verschwörungstheoretiker Kayvan Soufi-Siavash – besser bekannt unter seinem Künstlernamen Ken Jebsen – als „gekauft von der NATO“ verteufelt. „Das ist natürlich auch vollkommener Quatsch“, macht Ralf Buchterkirchen klar.
Seit dem russischen Angriff auf die Ukraine im Februar 2022 versuchen rechte Gruppen unter dem Deckmantel des „Friedens“ wieder einmal Zustimmung zu gewinnen. Der rechtsextreme AfD-Politiker Björn Höcke warb etwa mit dem Slogan „Frieden schaffen ohne Waffen“. Die DFG-VK verurteilt den Missbrauch solcher Slogans durch Menschenfeinde, wie die der AfD. Die Friedensorganisation hat seit einigen Jahren einen Unvereinbarkeitsbeschluss der Mitgliedschaft in der DFG-VK und AfD: „Mit Nationalismus ist kein Frieden zu machen“, fasst Ralf Buchterkirchen zusammen.
Die DFG-VK fordert alle Friedensgruppen, die in den nächsten Monaten Proteste organisieren, dazu auf, sich in ihren Aufrufen und während ihrer Aktionen deutlich von rechtsextremen Gruppen und Einzelpersonen sowie solchen aus dem Verschwörungsspektrum abzugrenzen und diese von Aktionen auszuschließen. DFG-VK-Geschäftsführer Michael Schulze von Glaßer dazu: „Wir erteilen Menschen und Gruppen, die wissenschafts- und pressefeindlich sind, sowie Menschen und Gruppen, die Verschwörungsmythen anhängen und/oder Rassismus, Antisemitismus, Sexismus oder andere diskriminierende Botschaften verbreiten, eine Absage.“ Friedensproteste müssten sich für ein solidarisches Miteinander und ein sicheres und gutes Leben für alle Menschen einsetzen, so Schulze von Glaßer weiter: „Wir fordern zudem alle Friedensgruppen ganz praktisch dazu auf, bei ihren Protesten die dann geltenden Hygienemaßnahmen einzuhalten – nicht wenige aus der Friedensbewegung zählen zur Risikogruppe.“