Rechte Hooligans und Neonazis schließen gefährliche Allianzen
Gastbeitrag von Dirk Hogess
Die Wiege der Hooligan-Subkultur steht in England, dem Mutterland des Fussballs und der Fankultur. Seither nahm die Ausbreitung ihren Lauf in Großbritannien. Sie sind vom Habitus anderer Fangruppen wie Kutten und Ultras zu unterscheiden, allein vom Kleidungsstil her und da sie Gewalt kultivieren. Zur einer Neuorientierung kam es Ende der 1970er, es bildeten sich die sogenannten Casuals. Die trugen keine übliche Straßenkleidung und die typischen Fanutensilien, sondern Trainingsanzüge und Sportkleidung kontinentaleuropäischer Markenhersteller. Dadurch entstand eine Identitätsstiftende Gruppenzusammengehörigkeit, das hat heute noch prägende Wirkung in der Szene. Es wurden sogenannte Firms oder Crews gebildet, in denen etwa 150 Mitglieder zum Kern gehörten sowie weitere Mitläufer. Die systematische Hooligan-Randale mit Jagdszenen in der Hochzeit der 70er und 80er wurde in England ausgemerzt, aber die Gewalt in den englischen Stadien ging bis in die 90er hinein. Auch heute gibt es dann und wann noch Krawalle, vor allem bei manchen Problem-Derbys. Drei Katastrophen mit Toten und schwer Verletzten waren für das Umdenken nötig. Anders als in der Bundesliga gibt es in englischen Stadien kein Bier und keine Stehplätze mehr. Nummerierte Sitzplätze, Videoüberwachung und null Toleranz lautet das Schlagwort in England. Die drastischen Maßnahmen führten dazu, dass das klassische Publikum der Arbeiterklasse mehr und mehr einem gesetzten bürgerlichen Publikum wich, dadurch ging einiges von der typischen englischen Atmosphäre in den Stadien verloren. Auch die britische Hooliganszene hatte Kontakt zur National Front in den 80er und Kooperationen mit rechtsextremen Skinheads und verschiedenen neonazistischen Gruppen entstanden. Es kursiert auch der früher „geltende Ehrenkodex“ der „geregeltes Kämpfen“ nur mit den Fäusten, ohne Waffen und am Boden Liegende nicht zu attackieren. Gegenseitige Anzeige und kooperieren mit der Polizei sind ein Tabu. Erinnerungsfotos von Schlägereien dienen nur zu diesen Zweck und Unbeteiligte dürfen nicht angegriffen werden. Vielleicht zu den Anfangsjahren existierten Hemmschwellen bei Gewaltexzessen. Da Waffen, Gewalt gegen Außenstehende und das Eintreten auf am Boden liegende Hooligans schon lange gängige Praxis ist. Diese gewaltsamen Verhaltensweisen, das „Kick-Erlebnis“ schwappten in den 80er zuerst nach Westeuropa über und dann zunehmend nach Osteuropa. Das Rowdytum im Gruppenverband mit Randale und gewalttätigen Übergriffen findet nicht nur in der Beletage des Fußballs sondern auch in den unteren Spielklassen statt.
Wie kürzlich in der Oberliga-Süd, als einige rechte Lok Leipzig-Rowdys den Platz stürmten bei Rot-Weiß Erfurt zwei. Anscheinend genug von Randale haben die Althools Standarte Bremen, ebenso wie die Westfront Aachen. Nach 25 Jahren gaben ihre Auflösung bekannt. Viele Fans waren von den Hooligans Ausschreitungen im Brüssler Heysel-Stadion beim Endspiels des Fußball-Europapokals der Landesmeister 1984/85 inspiriert und so schrie man später „Brüssel zwei wir sind dabei“, wobei 39 Menschen getötet wurden und 454 verletzt. Auch wurden von der Medienberichterstattung immer mehr Mitläufer angelockt. Gegen diese Seuche wurde reagiert von der FIFA, UEFA , den Landesfußballverbänden sowie Sicherheitsbehörden mit einem umfangreichen Maßnahmenkatalog. Dazu gehören Baumaßnahmen, Sicherheitsmaßnahmen und Sicherheitsvorkehrungen,Videoüberwachung in den Stadien, mobile Videoaufzeichnung, Meldeauflagen und Stadionverbot, strengere Einlasskontrollen und Gewaltprävention. Nach der Katastrophe wurden die Stadien modernisiert. Ferner dürfen bei internationalen Spielen nur noch Sitzplätze angeboten werden. Bei großen Turnieren wurden personalisierte Eintrittskarten eingeführt. Polizeibehörden arbeiten auch verstärkt auf nationaler oder internationaler Ebene zusammen, Polizisten begleiten die Fans aus ihrem Land bis in das jeweilige Land, in dem die Spiele stattfinden, und an problematischen Punkten sind sie präsent. Neu gebaute Stadien sind aus Sicherheitsgründen Viereckig ohne Zäune, nicht mehr Oval, und mit der modernsten Videoüberwachung ausgerüstet. Sich mit Pyrotechnik zu beschießen kann man damit nicht verhindern, aber die Rowdys vielleicht besser ermitteln. Um den Einlass von Hooligans in Stadien zu verhindern bzw. im Zaum zu halten, richtete man 1992 die Zentrale Informationsstelle Sporteinsätze (ZIS) beim Landeskriminalamt Düsseldorf ein. Sie registriert und beobachtet bundesweit Fußball-Gewalttäter und steht mit anderen Ländern über den internationalen Datenaustausch in Verbindung.
Früher verübten Hooligans ihre Gewalt in Stadien, aber heute nur noch selten an bestimmten Spieltagen. Sie verabreden sich hierzu fernab von den Begegnungen und treffen sich mit verschiedene Gruppierungen zur selbstinszenierten „dritten Halbzeit“ an ruhigen und verlassenen Orten. Ferner stammen sie nicht nur aus den proletarischem Milieu, sondern aus der Mitte der Gesellschaft. Einige sind ganz normale Familienväter, die in der Woche ins Büro gehen, auch sind viele Studenten dabei, Unternehmer, es gibt auch einige mit Migrationshintergrund und am Fußballwochenende ticken sie aus. Die Fan-Szene wird nach Ihrem „Risikopotenzial“ kategorisiert in A: friedliche, B: gewaltbereite, C: gewaltsuchende. Ausschreitungen zu verhindern ist Sache der Polizei, deshalb agiert sie in der BRD mit szenekundigen Beamten in Zivil, die besonders gewaltbereite Personen an Spieltagen verstärkt beobachten bzw. mit Meldeauflagen belegen. In England kommen immer mehr Fußballspiele ohne Polizeipräsenz aus. Auch dieses Kapitel gehört zur Hooliganszene, schon seit den 80er und 90er zunehmend, wurden Bündnisse zwischen rechten Hooligans und der Neonaziszene geknüpft und seit jener Zeit wurde es ignoriert und zu lange verharmlost.
Jetzt drängen sie – bestens vernetzt mit der rechten Szene – zurück auf die Bildfläche. Die altbekannte berüchtigte Dortmunder Borussenfront lud 2012 zum Gründungstreffen des Netzwerks GnuHonnters ein-der Name soll für New Hunters stehen, neue Jäger. Ihr Leitspruch lautet: „Kameraden im Geiste“. Ein Zusammenschluss von 17 rechtsorientierte Hooligangruppen aus der ganzen BRD und gewaltbereiten Rechtsextremisten. Man verfasste ein krudes Pamphlet, als Leitbild unter anderem „Keine Antifa im Stadion“. 2013 feierten einige Mitglieder in Berlin den 30. Geburtstag einer Hooligangruppe. Gerade Berlin ist für das Zusammenwachsen der Hooliganszene und der Rechtsextremen wichtig, denn hier fanden schon einige Treffen statt. Berlin gilt als Hochburg gewalttätiger Hooligans, die Anzahl ist weiter angestiegen: Auf Hertha BSC entfallen derzeit 535, der 1. FC Union hat 473 und der BFC Dynamo 506 Hooligans. Selbst bei Tennis Borussia haben die Beamten 26 Hooligans ausgemacht und sogar bei Alba Berlin gibt es sieben Hooligans – das geht aus der Sportgewalt-Datei der Polizei hervor. Für Überschneidungen mit der rechten Szene stehen in Berlin etwa die „Buckower Szene“ bei Hertha und „Crimark“ bei Union. Das Randale-Image des BFC zieht viele an unter Ihnen befinden sich 60 Rechtsradikale. Überall in Europa sorgen rechte Hooligans, Rassismus in den Stadien und gewalttätige Angriffe für die üblichen Schlagzeilen. Innerhalb der Hooliganszene ist ein Anstieg an rechtsmotiviertem Verhalten zu verzeichnen. In der letzten Zeit entstanden eine Menge gefährliche Allianzen zwischen Hooligans und Rechtsradikalen. Solche Schlägertruppen greifen dann mit unverhohlenen Hass Flüchtlinge und andere Menschen an, die nicht in Ihr Weltbild passen. Diese Zusammenrottung stellt eine Neue Gefahr da und zeigt das Gewaltpotenzial, was auch zu lange herunter gespielt wurde. In Sachsen machte die „Hooligan Elbflorenz“ von sich Schlagzeilen bis zum Prozess-das Landgericht Dresden betrachtete Hooligans in einem Urteil als Mitglieder einer kriminellen Vereinigung – diese Ansicht hat der Bundesgerichtshof Januar 2015 nun bestätigt. Es ging auch um einen Angriff nach dem EM-Halbfinalspiel 2008 zwischen der BRD und der Türkei auf türkische Gaststätten in Dresden, an denen 80 rechtsextreme Gewalttäter beteiligt waren. Dazu der Oberstaatsanwalt Jürgen Schär der den Prozess gegen die Hooligan Elbflorenz führte im Mai 2013 in der Sächsischen Zeitung : „So offenbar nutzen sie die Hooliganauseinandersetzungen als Training“. Schär stellte sogar fest, dass Hooligans und Neonazis sich in abgelegenen Wälder gemeinsam zum Schießtraining trafen. Mit scharfen Waffen. Das Innenministerium von Sachsen-Anhalt hatte 2008 erstmals eine rechtsextremistische Hooligan-Schlägertruppe, die „Blue White Street Elite“ verboten. Die Bande klagte gegen das Verbot. Nach Rückverweisung durch das Bundesverfassungsgericht im Revisionsverfahren wurde das Verbot im zweiten Rechtsgang vom Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt im Jahr 2010 aufgehoben.
In jüngster Zeit fallen sie in der BRD durch die sogenannte HoGeSa („Hooligans gegen Salafisten“), eine Allianz von rivalisierenden, rechten, Hooligans und organisierten Rechtsradikalen in Köln am 26. Oktober 2014 durch schwere Krawalle auf. Die Teilnehmer stammten von ungefähr 15 Hooligan-Gruppierungen aus dem Ruhrpott, Norddeutschland, so wie aus Belgien und den Niederlanden. Der gewalttätige Salafismus kommt ganz gelegen als Feindbild für das Rechte Bündnis, weil es mehrheitstauglich in der BRD geworden ist. Die Bedrohung dadurch sowie der Kampf dagegen dient als Deckmantel und muß als Platzhalter für Ihre Hasspropaganda herhalten. In Großbritannien existiert seit längeren eine antiislamische Hooligan-Bewegung „English Defence League“ (EDL). Ihre Mitglieder fallen immer wieder durch Aggression gegen muslimische Briten auf. Die „German Defence League“ (GDL) wurde 2010 gegründet-eine islamfeindliche rechtsextreme Organisation, die über Facebook für die Mobilmachung nach Köln sorgte. Sie orientiert sich an der (EDL). Der Verfassungsschutz spricht von einer 15-prozentigen Überschneidung zwischen fußballaffinen Hooligans und Rechtsextremen. Die Zentrale Informationsstelle Sporteinsätze (ZIS) die Gewalttaten rund um den Fußball protokolliert, bescheinigt den Vereinen der ersten beiden Ligen einen Anstieg „an rechtsmotiviertem Verhalten“ innerhalb der gewaltbereiten Hooliganszene. Bei 16 Clubs sieht die Behörde eine personelle Überschneidung zwischen der jeweiligen Fußballszene und dem rechten Milieu. Die Dunkelziffer dürfte deutlich weitaus höher liegen. Fanbeauftragte aus Dortmund, Braunschweig, Aachen, Frankfurt oder Düsseldorf berichten, dass Hooligans, die bereits in den neunziger Jahren aktiv waren, wieder in den Fankurven Präsenz zeigen. Viele rechte Hooligan-Gruppierungen sind mit der Neonaziszene verwoben. Das zeigt einmal mehr die hässliche Fratze des Neofaschismus in den Fußballarenen.
Diese Bündnisse sind der Nährboden für „Hass und Gewalt“ und es ist keine deutliche Abkehr der Szene davon zu beobachten. Zum anderen scheinen der latente und offene (Neo-)Faschismus wie Antisemitismus (Auschwitz-Lied) sowie rassistische Parolen (Uh-Uh Rufe bei schwarzen Spielern) und die Verwendung faschistischer Symbole eine Konstante in der „Fan“-Welt des Fußballs zu sein.