Wie mehreren Artikeln hier im Blog zu entnehmen ist, beschäftige ich mich intensiv mit Gernika und der Bombardierung am 26.4. 1937 auch durch Einheiten aus Wunstorf. Seit Jahren arbeitet der AK Regionalgeschichte, auch (aber noch viel zu wenig) unterstützt von der hannoverschen Friedensbewegung, gegen das Vergessen und die Traditionspflege der Bundeswehr gerade in Wunstorf. Dort gibt es eine komplett unkritische JU52-Ausstellung. Auf zentralem Wege gelegen erinnert immer noch Boelcke-Strasse an das Nazi-Geschwader (wie übrigens auch in Hannover). Nun hat die Bundeswehr dem jahrelangen Druck scheinbar nachgegeben und will auf dem Gelände der Bundeswehr einen Findling aufstellen, der an die Bombardierung erinnert. Soweit so gut, das wäre ein erster Schritt, könnte man sagen. Die Stadt Wunstorf und das Militär verstehen es endlich. Dem ist leider nicht so. Die Symbolik macht es deutlich:
- Sich zu weigern endlich die Straßenumbenennung durchzusetzen (und vielleicht eine Straße nach Gernika zu benennen
- Überhaupt ein Gedenken im öffentlichen Raum zu ermöglichen (der Stein soll ja auf dem Bundeswehrgelände, also nichtöffentlich stehen)
- Die JU-52 Halle nicht in die Aufarbeitung mit einzubeziehen
- In dem Zusammenhang auch das Denkmal (was es offensichtlich schon länger gibt), welches an die Luftbrücke erinnert, neben den neuen Stein zusetzen und ihn damit quasi dagegen zu setzen („Es war ja nicht alles schlecht.“)
- Einen Findling zu verwenden, den „deutschesten aller Steine“, der insbesondere als Kriegskultstein für deutsche Gefallene eine hohe Bedeutung besaß und besitzt ist mindestens geschmacklos.
Es wird deutlich, dass das Aufstellen des Gernikasteins nur der eigenen Selbstrechtfertigung dient und damit zur Selbstlegitimierung und zur Legitimierung neuer Kampfeinsätze. Das ist Missbrauch und verhöhnt die Opfer und instrumentalisiert sie. Das mit massiver grüner Unterstützung und ohne die Transparenz über die politische Dimension dieses Projektes deutlich zu machen, auch noch baskische Vertreter_innen und Schüler_innen explizit eingeladen werden, setzt dem Ganzen die Krone auf.
Ich dokumentiere im Folgenden eine Pressemitteilung des baskischen Vereins Baskale und eine PM der ver.di Bildungswerkes Hannover und des AK Regionalgeschichte.
Polemik um die Aufstellung eines „Guernica“-Gedenksteins in Wunstorf
Dieser Kommentar ist ein Beitrag des baskisch-deutschen Kulturvereins BASKALE mit Sitz in Bilbao, Baskenland zur der Diskussion um einen Guernica-Gedenkstein am Bundeswehrgelände in Wunstorf und zum 80. Jahrestag der Vernichtung der baskischen Stadt Gernika (spanisch: Guernica) durch die zu weiten Teilen aus Wunstorf stammende Legion Condor (Kampfgeschwader Boelcke). Dazu möchten wir aus baskischer Sicht Folgendes kommentieren:
Wir halten es für politisch sehr fragwürdig, wenn in Wunstorf der Name Gernika für einen Gedenkstein an einer Einrichtung der Bundeswehr benutzt werden soll, während gleichzeitig die Geschichte von Gernika und des dort verübten Kriegsverbrechens an derselben Stelle bewusst im Dunkeln gelassen wird. Wir halten es für einen politischen Skandal, dass bei der geplanten Einweihung dieses Gedenksteins baskische Schüler/innen und ihr Begleitpersonal anwesend sein sollen. Umso gravierender ist die Tatsache, dass wir in Erfahrung bringen konnten, dass die baskischen Gäste nicht informiert sind über die gesamte politische Dimension des Gedenkstein-Projekts.
Solange die Stadtverwaltung von Wunstorf den Namen „Boelcke“ in ihrem Straßenverzeichnis hat, solange die Bundeswehr nicht darüber informiert, welche Kriegs-Verbrechen mit der im Museum ausgestellten Junkers 52 im Baskenland, in Spanien, in Polen und England angerichtet wurden, auch solange es in Berlin eine Spanien-Allee gibt, mit der an die mörderische Legion Condor gedacht bzw. sie verherrlicht wird – solange empfehlen wir der Stadtverwaltung Wunstorf und den Verantwortlichen der Bundeswehr am selben Ort dringend, auf den Namen Gernika (Guernica) auf Gedenksteinen zu verzichten. Die direkte Nachbarschaft der Namen „Boelcke“ und „Gernika“ ist eine Beleidigung für die Opfer der Nazi-Luftwaffe im Baskenland. Wir halten es für notwendig, dass zur Gedenkstein-Geschichte auch Stimmen aus dem Baskenland und aus Gernika selbst zu Gehör gebracht werden.
Klaus Armbruster, Geschäftsführer des gemeinnützigen Kulturvereins Baskale (Bilbao / Baskenland)
Der aktuelle Skandal in der Bundeswehr und die militärische Traditionspflege auf dem Fliegerhorst Wunstorf und in der Stadt Wunstorf – Presseerklärung
Die Öffentlichkeit ist zur Zeit darüber entsetzt, dass in der Bundeswehr ein rechtes Netzwerk aktiv ist, das sich positiv auf die Traditionen der Wehrmacht bezieht. Einzelne Soldaten scheinen auch nicht mehr davor zurückzuschrecken, Anschläge vorzubereiten. Seitdem die Bundeswehr in internationale Kriegseinsätze geschickt wurde, häuften sich darüber hinaus Berichte über Soldatenmisshandlungen. Auch die auf dem Fliegerhorst Wunstorf (Region Hannover) betriebene Traditionspflege gab immer wieder Anlass zu Beschwerden und öffentlichen Diskussionen. Kritisiert wird die Ausstellung in der Ju-52-Halle, ein Militärmuseum auf dem Gelände des Fliegerhorstes, für das das Lufttransportgeschwader 62 die Verantwortung trägt. Obwohl die schlimmsten Nazi-Devotionalien wie Hakenkreuze, NS-Literatur etc. nach einer Beschwerde des Arbeitskreises Regionalgeschichte an das Verteidigungsministerium bereits 1998 beseitigt wurden, blieben die verheerenden Einsätze der Junkersmaschinen und der Angehörigen des in Wunstorf stationierten NS-Traditionsgeschwaders Boelcke während des Spanischen (Bürger-) Krieges und des Zweiten Weltkrieges ausgeblendet.
Zu nennen sind hier insbesondere:
- die Luftbrücke von „Spanisch-Marokko“ auf die iberische Halbinsel mit Ju-52-Transportmaschinen im Juli und August 1936 für die Fremdenlegionäre des Generals Franco, Anführer eines Putsches gegen die spanische Republik. Ohne diese Luftbrücke wäre der Putsch gleich in den ersten Tagen gescheitert.
- Die Zerstörung von spanischen Städten und Dörfern durch Ju-52-Behelfsbomber und Personal von den Fliegerhorsten Wunstorf und Langenhagen – darunter der verheerende Angriff auf die baskische Stadt Guernica/Gernika am 26.4.1937.
- Die Angriffe auf Warschau im September 1939, bei der JU-52-Transportflugzeuge aus denen Brandbomben geschaufelt wurden, eine verhängnisvolle Rolle spielten. Warschau stand tagelang in Flammen.
- Die Zerstörung der englischen Stadt Coventry durch das Boelcke-Geschwader im September 1940.
Dies sind nur einige Beispiele für Einsätze der „guten alten Tante Ju“ und des Boelckegeschwaders, die in der Ju-52-Halle verschwiegen und vertuscht werden.
Auch die Stadt Wundtorf beteiligt sich an der Verharmlosung der Kriegsverbrechen der NS-Luftwaffe.
Anfang der 1950er Jahre ließ sie eine Straße zu Ehren des Traditionsgeschwaders, das Gernika und Coventry in Schutt und Asche legte, wieder – wie zu Nazizeiten – „Oswald-Boelcke-Straße“ nennen. Seit den 1980er Jahren wird immer wieder gefordert, diese Straße endlich umzubenennen – bis heute vergeblich.
Zwar wollen das Lufttransportgeschwader 62 und die Stadt Wunstorf im Herbst 2017 am Fliegerhorst einen Gernikagedenkstein aufstellen. Dieses Gedenken muss aber unglaubwürdig bleiben, wenn in der Ju-52-Halle die Wehrmachtsverbrechen weiter verschwiegen und in Wunstorf die Täter von Gernika immer noch geehrt werden.
Der aktuelle Skandal in der Bundeswehr sollte endlich auch in Wunstorf zum Anlass genommen werden, die bislang betriebene Traditionspflege zu beenden.
Hubert Brieden,Historiker, Arbeitskreis Regionalgeschichte
Michael Dunst Pädagogischer Leiter, Bildungswerk ver.di Niedersachsen