Von Gender Theorie zu Gender Rechten!
Was haben Lesben- und Schwulenbewegung, Transgenderbewegung und die feministische Bewegung gemeinsam? Wenn mensch diese Frage hört, fallen erstmal Unterschiede und gegenseitige gelebte Abgrenzungen und Vorurteile ein. Eines haben alle gemeinsam. Ihnen widerfährt aufgrund der Abweichung von einer von außen definierten Rolle Ausgrenzung der „Normalität“. Die Normalität, das ist der weiße heterosexuelle männliche Mainstream. Die entscheidende Gemeinsamkeit, die alle zum zusammenarbeiten auffordert, ist der Gender-Aspekt. Schwule werden diskriminiert, weil sie nicht in die Heterosexualität passen. So sehr sich sich auch anzubiedern versuchen, stellen auch sie gar noch Geschlechterrollen in Frage, nämlich wenn sie sich nicht so kleiden, bewegen, verhalten wie die Gesellschaft das von Ihnen erwartet. Frauen werden allein aufgrund ihres Geschlechts benachteiligt und diskriminiert, Lesben erleben doppelte Diskriminierung – auf Grund des Geschlechtes und ihrer Sexualität. Transgender wiederum scheinen nicht so richtig in eine der vorgefertigten Rollen zu passen.
Riki Wilchins Buch „Queer Theory, Gender Theory – an Instant Primer“, dass nun in deutscher Übersetzung im Querverlag mit dem Titel „Gender Theory – eine Einführung“ erschienen ist, vollzieht die Grenzüberschreitung zwischen Theorie und Praxis, genau wie zwischen verschiedenen ‚Communities‘. Riki Wilchins berichtet aus ihrer persönlichen Erfahrung. Teilweise amüsant formuliert zeigt sie auch versteckte Geschlechterbilder auf. So beschreibt sie für ein Seminar, das aus „typisch“ schwulen Männern besteht die Reaktionen auf die Frage: „Wie viele Männer in diesem Raum sind schwul?“. Alle Hände gehen hoch. Bei der sich anschließenden Frage, wie viele Männer in diesem Raum passiv seien aber sofort alle Hände wieder runter gehen, sich dann alle anschauen und in Gelächter ausbrechen. „Ihr habt also sehr wohl mit Geschlechterfragen zu tun. Sonst würde jeder in diesem Raum im Zölibat leben, bis zumindest eine bekennende passive Stute in diese Stadt zieht.“. An dieser Stelle knüpft Wilchins an und beginnt Geschlechterfragen situationsspezifisch zu thematisieren; warum es vielen Männern peinlich ist, feminin zu wirken.
Mit einer sehr gut lesbaren und von vielen Praxisbeispielen gespickten Einführung geht sie vom Aufzeigen der Genderaspekte zur theoretischen Grundlage der queer-Theorie. Sie geht von der Ausrufung des Postmodernismus von Derrida und den darauf fußenden dekonstruktivistischen Thesen Foucaults zur queer-Theorie Judith Butlers. Dies geschieht nicht – wie sonst üblich – auf abstrakter Ebene sondern vermittelt das Gefühl, diese politische Agenda auch ohne Soziologiestudium verstehen und weiterdenken zu können.
An einigen Stellen nimmt Wilchins dafür in Kauf, sich Prägnanz und Verständlichkeit, mit zu großer Verkürzung und mangelnder Tiefe zu erkaufen. Dies sollte die LeserIn aber nicht schrecken und sie nach diesem gelungenen Einstieg zur Vertiefung durch andere Lektüre ermuntern.
Riki Wilchins ist Kollumnistin und in der US-amerikanischen Organisation GenderPAC organisiert. 2001 wurde Wilchins vom Time-Magazine als eine der „100 Civic Innovators des 21. Jahrhunderts“ interviewt. Mit Recht kann mensch sagen, dass Wilchins zu den Standbeinen der amerikanischen Queerbewegung zählt.
Mit konkreten Beispielen aus dem Leben, schließt sie das Buch und regt dazu an, Gender ständig SELBST zu hinterfragen. Ihrer Position nach, werden Gender-Rechte ständig verletzt, auch dort, wo es auf den ersten Blick nicht immer so aussieht. Als Beispiele nennt die Autorin unter anderem: „Schwule Männer, die angegriffen wurden, weil sie sich tuntig verhielten oder so wahrgenommen wurden, eine Sammelklage weiblicher Angestellter, die zu traditionell „weiblichen“ Tätigkeiten angehalten wurden, Jungen, die verhauen wurden, weil sie Bleistifte und Mathe lieber mochten als Mädchen und Sport, Mädchen, die dafür bestraft wurden, vorlaut, aggressiv und zu sportlich zu sein…“.
Damit ist das Buch, auch wenn es aufgrund seiner überschaubaren Seitenzahl nicht in der Lage ist, die Theoriegebäude der Gender- bzw. Queertheorien bis ins kleinste Detail zu erläutern, eine willkommene Streitschrift, queer aus seinem Dornröschenschlaf an den Universitäten zu erlösen und zur praktischen Handhabe zu machen. Es ist insbesondere für all diejenigen gedacht, die sich schon immer mal mit queer-Theorie beschäftigten wollten aber bisher immer abgeschreckt wurden.
Riki Wilchins: Gender Theory Eine Einführung, Queerverlag 2006, ISBN 3-89656-130-8