Der Deserteur ist in allen Armeen der schlimmste Feind, schlimmer als der Feindsoldat, denn er widersteht dem Befehl zum Töten und nimmt lieber den eigenen Tod in Kauf, was die Ohnmacht seiner Vorgesetzten beweist und erklärt, weshalb der Fangschuss, der Deserteuren nach der Exekution verabreicht wird, selten aus einer Kugel, meist aus mehreren Schüssen besteht, obwohl es nicht notwendig ist, bietet der bereits Erschossene doch das beste Ziel, und aus nächster Nähe. In den üblichen Mehrfachfangschüssen verrät sich die Wut der Fahnengetreuen gegenüber dem Fahnenflüchtigen, der diejenige Schuld nicht auf sich nehmen wollte, die die anderen unerschütterlich und empfindungslos tragen. […] Ohne Exekution derer, die sich mitzumachen weigern, kein Krieg. Das wissen die Generäle und Juristen; ihre Teilhabe an den Todesschüssen hält die Welt in Ordnung, an der der Deserteur rüttelt, und sei es, wie in manchen Fällen,
nur aus Angst, Unwillen, Egozentrik. Der Deserteur aber, der die Naziwehrmacht verließ, spricht mit seinem Weggang jeden, der bei ihr blieb, schuldig.
Gerhard Zwerenz: „Soldaten sind Mörder“ –die Deutschen und der Krieg, München 1988, S.422f
Heute ist der Deserteur und Schrifsteller Gerhard Zwerenz verstorben.