Aufgrund der Verabschiedung der Antidiskriminierungsrichtlinien durch die Europäische Union ist die Bundesrepublik Deutschland, wie alle anderen Mitgliedsländer auch, verpflichtet, wirksame Antidiskriminierungsregeln im Beruf zu erlassen. Eine ähnlich lautende Richtlinie für das Zivilrecht umfasste nicht die Diskriminierung u.a. aufgrund der sexuellen Orientierung. Umsetzungstermin für beide Richtlinien war das Jahr 2003 (Juli, bzw. September). Kurz vor den Bundestagswahlen 2002 brachte Rot/Grün einen Entwurf ein, der nach massiver Lobbyarbeit von Unternehmen und Kirchen zurückgezogen wurde. Im Dezember 2004 unternahm die Bundesregierung einen neuen Versuch ein umfassendes Antidiskriminierungsgesetz (ADG) einzuführen. Der vorliegende Artikel, will Inhalt, Hintergründe und aktuellen Stand beleuchten. Ich beziehe mich im Folgenden ausschließlich auf die Analyse der Diskriminierung aufgrund sexueller Orientierung. Das im Entwurf enthaltene Verbot von Diskriminierung aufgrund des Alters, des Geschlechts, der Religion, der ethnischen Herkunft und Behinderung ist aufgrund des Umfangs nicht Bestandteil dieses Artikels, wobei grundsätzliche Erwägungen meist analog zu sehen sind.
Der im Dezember 2004 vorgelegte Entwurf geht deutlich über die Vorgaben aus Brüssel hinaus. Neben dem Verbot von Diskriminierung im Beruf ist auch ausdrücklich der Schutz im Zivilrecht vorgesehen. Die Fallstricke finden sich beim genaueren Hinsehen. Drehpunkt des ADGs ist die Beweislastverschiebung. Beweislastverschiebung, wie sie auch in anderen Antidiskriminierungsgesetzen Anwendung findet, setzt einen begründeten Tatverdacht voraus, bis eine Umkehr der Beweislast hin zum potentiellen Täter erfolgt. Im Klartext heißt das, dass ein/e (im Allgemeinen der heteronormativen männlich-weißen Mehrheit angehörender) Richter/in aufgrund der Anzeige der oder des Diskriminierten entscheiden muss, ob ausreichender Tatverdacht besteht. Wer selber Mobbingopfer war, weiß wie subtil und versteckt Mobbing abläuft und wie schwierig es ist, Mobbing sichtbar und greifbar zu machen. Und so brüstet sich auch Olaf Scholz (ehemaliger SPD-Generalsekretär), das seit dem Jahr 2001 beim Gesetz gegen die Diskriminierung von Frauen und Männern im Beruf ganze 4! Klagen von potentiell Diskriminierten erfolgreich waren. Ein ähnlicher zahnloser Tiger wird entsprechend der jetzige Gesetzentwurf, sollte er denn Gesetz werden, bleiben.
Unter diesem Blickwinkel bekommt ein ADG eine ganz andere Bedeutung. Minderheiten werden zementiert und in Gesetzesform gegossen, anstatt Schranken aufzuheben. Ein wirksames ADG im Rahmen des vorhandenen gesellschaftlichen Systems könnte helfen, Diskriminierungen abzubauen, dieses ADG wird neue aufbauen.
Neben dieser Unwirksamkeit sind zusätzlich noch Verschlechterungen zu erwarten. So wird in Paragraph 21 Versicherungen erstmals ausdrücklich erlaubt, bei unterschiedlicher „Gefahrenprognose“ Menschen unterschiedlich zu behandeln. Im Kontext des ADG bedeutet dies, das nun HIV-Infizierten Versicherungsschutz verweigert werden kann. Ein weiterer Kritikpunkt sind die durchgehend schwammigen Formulierungen, die breiten Spielraum für Auslegungen lassen. Betrachtet mensch die gegenwärtige Debatte, ist es nicht schwierig zu spekulieren, in welche Richtung Auslegungen zu erwarten sind.
Beinahe obskur wirken in diesem Zusammenhang die gegenwärtigen Angriffe von Schily, Zypris, Merkel und Co. Unter dem Motto „Bürokratieabbau“ wird das Gesetz abgelehnt. Die Idee des Schutzes von Minderheiten einem scheinbaren Bürokratieabbau zu opfern, zeigt das ganze Ausmaß rot/grüner BürgerInnenrechtspolitik.
Zusammenfassend bleibt zu sagen: Das Gesetz wird nichts bringen, eher sind noch Verschlechterungen zu erwarten. Die derzeitige Debatte, die das ADG einem scheinbaren Bürokratieabbau opfern will, verschleiert die wirklichen Knackpunkte, die ein ADG effektiv machen würden. Notwendig ist endlich ein wirksames ADG, das sich an den Problemen der von Diskriminierung Betroffenen orientiert. Aber da warten wir wohl vergeblich…
PS: Anzumerken ist noch, das die Bundesregierung mit ihrer Mehrheit im Bundestag allein entscheiden kann, der Bundesrat hat bei der Verabschiedung des ADG’s keine Bedeutung.
* Olaf Scholz, MdB SPD
erschienen in: Rosige Zeiten April 2005