Landtagswahlen in Niedersachen (erschienen in Rosige Zeiten Dezember 2007)
Im Januar wird ein neuer Landtag in Niedersachsen gewählt. Als legislatives Element wird er für die nächsten Jahre maßgeblich die Politik in Niedersachsen und über den Bundesrat auch Bundespolitik mitbestimmen. Für die ROZ Grund genug sich die Programmatiken von Parteien zur Gleichstellung von Lesben, Schwulen, Bis und Transgendern näher anzusehen. Dazu wurden die im Bundestag vertretenen Parteien Bündnis90 / Die Grünen, CDU, FDP, Die Linke und SPD gebeten auf einige Fragen zu antworten, außerdem wurden die Wahlprogramme untersucht. Da Gleichstellung nicht nur auf Landesebene umsetzbar ist, wurde, wo notwendig, auch auf das Auftreten der Bundespartei geachtet. Über den Bundesrat haben zumindest die Regierungsparteien direkten Einfluss auf die Bundespolitik.
Geantwortet auf die Anfragen der ROZ haben (in der Reihenfolge des Einganges der Antworten) SPD, B90/Grüne und FDP. Ihnen wird daher in den folgenden Ausführungen mehr Raum gegeben. Die Reihenfolge der Antworten stellt keine Wertung dar. Ziel dieses Beitrages ist ebenso wenig eine Wahlempfehlung.
Die Sozialdemokratische Partei (SPD) ist derzeit die größte Oppositionspartei. Im Programmentwurf[1] wird Lesben, Schwulen und Transgendern ein eigener Abschnitt gewidmet. Dort wird unter anderem eine Antidiskriminierungsstelle, die Stärkung der vorhandenen Strukturen, sowie ein umfassendes Diversity-Konzept gefordert. Auf Bundesebene sollen die steuerliche Gleichstellung sowie eine Anpassung des Adoptionsrechts erfolgen. Ebenfalls gestärkt werden sollen die Bildungsarbeit und die Sensibilisierung von PädagogInnen für lesbisch/schwule Diskriminierung. Konkret stellt die SPD Niedersachsenfest und fordert: „Homosexuelle, Bisexuelle und Transgender gehören zur gesellschaftlichen Gemeinschaft in Niedersachsen. […] Unaufgeschlossenheit, Unaufgeklärtheit, sowie bewusst und unbewusst geschürte Vorurteile in der Familie, im Freundeskreis, in Schule und Ausbildung und am Arbeitsplatz führen immer noch zu Ausgrenzung, Diskriminierung und Isolation bis hin zu menschenverachtenden Reaktionen und Gewalt in allen Lebensbereichen.[…] Vor allem die Schule ist Bildungs- und Erziehungsraum für Schülerinnen und für Schüler auch in Fragen der individuellen sexuellen Emanzipation. Nicht nur die sexuelle Aufklärung gehört hier zum Auftrag an die Schule, sondern auch die gesellschaftliche Erziehung zu Respekt und Toleranz gegenüber unterschiedlichen sexuellen Individualitäten.“ (Zitat aus dem Entwurf des Regierungsprogrammes der SPD Niedersachsen).
Die Freie Demokratische Partei(FDP) lehnt dagegen ein Antidiskriminierungsgesetz rundweg ab. In ihrem Programm setzt sie auf eine Fortsetzung der bestehenden Politik in einer Koalition mit der CDU. Im Bereich Sozialpolitik ihres Programms fordert sie eine Verbesserung der Bildungsarbeit und den Aufbau einer Diversity-Strategie: „Wir müssen verhindern, dass gesellschaftliche Potenziale und individuelle Talente durch Ausgrenzung oder Geringschätzung verschenkt werden. Toleranz und Respekt lassen sich aber nicht über Gesetze erzwingen. Anstelle einer weiter ausgedehnten Antidiskriminierungsgesetzgebung brauchen wir eine verstärkte Wertschätzung von Vielfalt. In Niedersachsen hat die FDP die Fortsetzung der Bildungs- und Beratungsarbeit für Homosexuelle gesichert. […] Wir werden auch in Zukunft dafür eintreten, dass alle Lebensgemeinschaften unterstützt werden, in denen Partner füreinander Verantwortung übernehmen. Die FDP fordert: […] für so genannte Diversity-Strategien zu werben, bei denen die Unterschiede der Menschen akzeptiert und als Bereicherung gesehen werden und ihre Vielfalt als innovatives und kreatives Element genutzt wird“ (Zitat aus dem Wahlprogramm der FDP Niedersachen)
Bündnis90/ Die Grünen sieht sich als UrheberIn des Lebenspartnerschaftsgesetzes. Ihre Forderung ist die „volle Gleichstellung“. Auf Bundesebene soll dazu Adpotions-, Erb- und Unterhaltsrecht angepasst werden. Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) soll weiterentwickelt werden. Insbesondere im ländlichen Raum, in der Migrations- und Flüchtlingspolitik und in der Bildungsarbeit sehen Bündnis 90 / Die Grünen Ansatzpunkte für niedersächsische Politik:“ Ziel GRÜNER Politik ist es, dass Schwule und Lesben ohne Angst vor Diskriminierung und Ablehnung in dieser Gesellschaft leben können. Der Weg zur völligen Akzeptanz ist noch lang. Wir wollen ihn verkürzen.
Die Situation von jungen Schwulen und Lesben und Bisexuellen macht es gerade im ländlichen Raum notwendig, die Arbeit der Schulen und der Jugendarbeit für die Chancen und Probleme homosexuellen Lebens zu öffnen. Häufig fehlt es gerade im Alltag an Orientierung und Beratung für Jugendliche. In einer besonders schwierigen Situation befinden sich zudem viele Migrantinnen und Migranten. Die Schule kann und muss einen wichtigen Beitrag zur Identitätsbildung leisten. Kaum eine Soap-Serie kommt ohne homosexuelle Paare aus, aber in niedersächsischen Schulbüchern wird Homosexualität völlig ausgeklammert. An unseren Schulen gibt es für schwule und lesbische Schülerinnen und Schüler keine offiziellen Ansprechpartner. Wir wollen die Aus- und Fortbildung für Beratungslehrer in diesem Bereich voranbringen. Darüber hinaus wollen wir die psychosozialen Dienste umfassend qualifizieren – vornehmlich in ländlichen Regionen. Gleichzeitig soll die schwul-lesbische Selbsthilfe besser unterstützt werden.“(Wahlprogramm Bündnis90/ Die Grünen Niedersachen)
Die Linke hat weder auf die Fragen geantwortet, noch findet sich im Wahlprogramm ein eigener Absatz zur Thematik. Allenfalls in der Sozialpolitik wird kurz auf die Vielfalt der Lebensweisen als Ziel der Politik eingegangen: „DIE LINKE setzt sich ein für eine Erneuerung des Sozialstaats und der öffentlichen Dienstleistungen. Eigenständige soziale Sicherheit soll der Entfaltung der Persönlichkeit Rückhalt geben, soll alle Mitglieder der Gesellschaft vor den großen sozialen Risiken absichern, den Lebensstandard bei Erwerbsunfähigkeit oder Erwerbslosigkeit gewährleisten, Armut verhindern und die Gleichstellung der Geschlechter und die Vielfalt der Lebensweisen ermöglichen.“ Im Gegensatz zu den Ansätzen auf Bundesebene, in denen von Gleichstellung aller Lebensweisen die Rede ist, scheint dieses Thema in Niedersachsen keine Rolle zu spielen.
Die Christlich Demokratische Union (CDU) hat offenbar kein Interesse an der Verbesserung der Situation von Lesben, Schwulen und Transgendern. Im Regierungsprogramm wird lesbischen und schwulen Partnerschaften implizit sogar der familienbegriff abgesprochen, was noch hinter das Parteiprogramm der Bundes-CDU zurückfällt: „Familie ist überall dort, wo Eltern für Kinder und Kinder für Eltern dauerhaft Verantwortung übernehmen. Sie ist und sie bleibt, gemeinsam mit dem von der Verfassung geschützten Institut der Ehe, die Keimzelle unserer Gesellschaft.“ (Regierungsprogramm der CDU Niedersachsen). Weitere Ausführungen, die konkrete Ansatzpunkte für Gleichstellungs- und Antidiskriminierungspolitik der CDU Niedersachsen in den nächsten Jahren erahnen lassen, ließen sich trotz intensiver Recherche nicht finden. Insofern sind von dieser Seite wohl zumindest keine positiven Überraschungen zu erwarten.
Wie gezeigt, wichten die Parteien die Gleichstellung von Lesben, Schwulen, Bis und Transgendern sehr unterschiedlich. Enttäuschend ist aufgrund der vorhandenen Aktivitäten auf Bundesebene die komplette Ignoranz de niedersächsischen Die Linke, zu erwarten war die starke Akzentuierung durch Bündnis90 / Die Grünen, für die die Gleichstellungs- und Antidiskriminierungspolitik ein zentrales Themenfeld ist. Die FDP schwankt zwischen Wirtschafts- und Freiheitsliberalismus und kommen so nur zu halbherzigen Antworten. Spannend ist dabei, das sie lesbische und schwule Freiheitsrechte insbesondere als wirtschaftspolitisches Argument sehen und nicht als Wert an sich. Die CDU hat offensichtlich überhaupt keinen Bedarf etwas zu verbessern, ihnen scheint eher etwas daran zu liegen, den vorhandenen Status Quo wieder zurückzudrehen. Die SPD hat neben den Grünen das weitreichendste Programm in Bezug auf Gleichstellungs- und Antidiskiminierungspolitik, was davon in Regierungsverantwortung umgesetzt werden könnte, bleibt abzuwarten.
Klar sollte sein, das die Haltung zur Gleichstellung von LGBT nicht einziges Merkmal zur Wahlentscheidung sein sollte, der Umgang mit Minderheiten, seien es nun ethnische, religiöse oder sexuelle macht aber ein Grundverständnis deutlich, über das es sich auf jeden Fall nachzudenken lohnt. Entscheiden und wählen gehen sollte jede und jeder aber auf jeden Fall, sonst entscheiden andere für dich!
Quellen: Anfragen an die Parteien, www.cdu-niedersachsen.de, www.dielinke-nds.de, www.gruene-niedersachsen.de, www.fdp-niedersachsen.de, www.spd-niedersachsen.de.
(erschienen in Rosige Zeiten Dezember 2007)