Alle Jahre wieder beginnen im Sommer Krankenhäuser und Deutsches Rotes Kreuz über fehlende Blutkonserven zu klagen. Teilweise müssen Operationen verschoben werden. Schuld ist die Urlaubs- und Reisewelle; auch Blutspendende machen Urlaub, zudem sind durch die Verkehrslawine mehr Unfälle zu verzeichnen.
Ein Ansatz das Problem zu mindern, wäre es, längst überkommene Regelungen aus dem Transfusionsgesetz zu entfernen. In den 1980er Jahren kam es durch Bluttransfusionen zu zahlreichen HIV-Infektionen. Das wurde zum Anlass genommen, so genannte Risikogruppen, darunter auch schwule Männer, von der Blutspende auszuschließen. Da es damals noch keine Möglichkeiten zu Kontrolltests gab, eine angewandte Möglichkeit der Risikominimierung. Ansonsten war es gänzlich Zufall, ob ein Spender oder eine Spenderin über HIV und die Übertragungswege informiert war.
Mit der Einführung der Pflichttestung von Blutspenden 1985 ist die HIV-Übertragungswahrscheinlichkeit durch Bluttransfusionen auf nahezu Null gesunken. Begründet wird dies, auch jetzt noch, großteils mit dem erfolgreichem Spendeausschluss Schwuler als Risikogruppe. Diese Behauptung ist bisher empirisch nicht belegt, sondern basiert u.a. auf Blutspendestatistiken, die so angelegt sind, das Schwule in ihnen nicht auftauchen können, und auf diversen Plausibilitätsannahmen. Aktuellere Studien zu Blutspenden w
eisen eher darauf hin, das Schwule trotz Verbot Blut spenden und dies vielleicht sogar überdurchschnittlich (Bundesgesundheitsamt 1993). Trotzdem wurde, was bis dahin nur Richtlinie der Blutspendeämter war 1998 Gesetz. Nach dem Transfusionsgesetz dürfen alle Männer, die seit 1977! Sex mit Männern gehabt haben nicht spenden.
Die verwendeten HIV-Testverfahren garantieren nahezu 100%ige Sicherheit, abgesehen von einem diagnostischem Fenster von gegenwärtig ca. 22 Tagen, in denen eine HIV Infektion nicht entdeckt werden kann. Nicht nachzuvollziehen also, warum jemand der vor 25 Jahren schwulen Sex hatte, nicht spenden darf. Hier ist noch zu erwähnen, das der Einsatz aktueller Testmethoden das diagnostische Fenster auf 1-2 Wochen schrumpfen lassen würde. Aufgrund der Mehrkosten von 13mio EUR jährlich wird dieses Verfahren aber ni
cht genutzt.
Um festzustellen, wie hoch trotz allem das Risiko ist, kann die Statistik der Neuinfektionen herangezogen werden, denn nur diese stellen ein potentielles Risiko dar. Bei einem angenommenen Anteil von 5% Anteil schwuler Spender (das entspricht etwa dem Spendeverhalten der Gesamtbevölkerung) ergibt sich eine Größenordnung von 50-70 potentiellen Infizierten/ je Jahr. Nicht betrachtet ist hier die Ungleichverteilung der Neuinfektionen innerhalb der schwulen Szene, verbunden mit der Bereitschaft überhaupt Blut
zu spenden. Die homogene Masse „schwul“ mit identischem Risikoverhalten existiert nicht. Geht mensch jetzt noch von einem verantwortungsvollem Umgang mit dem Risiko aus (eine Annahme die Heterosexuellen im Gegensatz zu Schwulen übrigens pauschal zugestanden wird) sinkt die Zahl noch einmal drastisch. Nicht spenden werden sehr wahrscheinlich Schwule, die sich nicht sicher sind, ob sie sich in letzter Zeit mit HIV infiziert haben. Gleiches gilt für alle mit erkannter HIV-Infektion. Langjährige Präventionsa
rbeit hat zu einem gutem Wissenstand über Risiken und Übertragungsmöglichkeiten von HIV/Aids beigetragen. Verschärfend kommt noch hinzu, das jeder durchschnittlich nur 2mal jährlich spendet. Genau dann in die Testlücke zu fallen ist doch eher unwahrscheinlich.
Daher ist keine signifikant höhere Sicherheit aufgrund des Ausschlusses schwuler Männer zu erwarten Die besteht aus einfachen und schnellen Kontrolltests und auf einer steigende Sensibilisierung der Bevölkerung.
Daraus folgt: Nicht mehr Risikogruppen, sondern das Risikoverhalten jedes und jeder Einzelnen sind ausschlaggebend für Infektions-Risiken und damit relevant im Sinne des Transfusionswesens. Ein von der sexuellen Orientierung unabhängiger Ausschluss würde auch das Risikoverhalten Heterosexueller gleichermaßen ansprechen. Eine Abschaffung des Ausschlusses Schwuler und eine Befragung nach dem Risikoverhalten würde eine offensichtliche Diskriminierung abbauen und zu noch mehr Sicherheit führen.
In Italien wurde übrigens bereits die Gesetzesgrundlage an diese neuen Erkenntnisse angepasst. Auch Schwule sind zur Blutspende zugelassen, allein das Risikoverhalten bestimmt einen möglichen Ausschluss von der Blutspende. Übrigens bei keiner Veränderung bzw. sogar einer geringen Abschwächung der Infektionsrate der Blutspenden.
Die Erkenntnisse sind nicht so neu. In der BRD liegen Studien von 1993 (Bundesgesundheitsamt, Berlin) und 2003 (Anja Preuß, Leipzig) zur Spendertätigkeit von Schwulen vor, die eine Rechtsanpassung als sinnvoll erscheinen lassen. Bisher wurden diese Erkenntnisse nicht aufgegriffen, Schwule und andere „Risikogruppen“ auf Grund ihrer Identität oder sexuellen Orientierung weiter diskriminiert.