erscheint in Rosige Zeiten 146
Dachte mensch, das der Christopher Street Day (oder Gay-Pride, wie er insbesondere aus Marketing-Gründen inzwischen mancherorts heißt) zu einem alljährlich wiederkehrenden Ritual geworden wäre, das nichts Neues biete und insbesondere der Selbstpräsentation der schwul-lesbischen Szene diene, so zeigen die beiden größten CSD’s in der Bundesrepublik, dass CSD’s weiterhin politische Sprengkraft in sich tragen – was allerdings nicht immer gut sein muss.
Auf der einen Seite wollte der Berliner CSD die CDU von der Parade ausschließen. Begründet wurde dies mit ihrer Politik der letzten Jahre, insbesondere den „verfassungswidrigen Entscheidungen“ der Bundespartei, die trotz mehrerer Urteile des Bundesverfassungsgerichts immer noch an einer Restdiskriminierung von Lesben und Schwulen, unter anderem in Bezug auf Eingetragene Lebenspartnerschaft und Adoptionsrecht, festhält. Der vom Berliner CSD entsprechend vorgesehene Ausschluss der CDU ist damit konsequent – allerdings brach ein Streit darüber aus, ob es denn sinnvoll sei, die CDU und ihren Homoableger LSU (Lesben und Schwule in der Union) wegen ihrer Politik nicht an der Parade teilnehmen zu lassen. Für einen Eklat in der Debatte sorgte ausgerechnet der Mehrheitsbeschaffer der konservativen Unions-Politik: die FDP. Ralf Fröhlich, Bundesvorstandmitglied der Liberalen Schwulen und Lesben verglich bei einer Podiumsdiskussion zum Ausschluss das Vorgehen des CSD’s mit den Bücherverbrennungen der Nazis: „Hier soll zwischen guten und schlechten Mitgliedern einer Partei unterschieden werden. Wir haben den Jahrestag der Bücherverbrennung. Da wurde auch zwischen schlechten und guten Büchern unterschieden.“ Das sorgte berechtigt für Entrüstung – und der Podiumsgast Klaus Lederer (Die.Linke) verließ aus Protest die Veranstaltung. Der Protest der CSD-Organisatoren war aber nur von kurzer Dauer. Nachdem die LSU zusicherte, den Schwerpunkt mehr auf ihre eigene Tätigkeit als Arbeitsgemeinschaft und nicht auf Werbung für die Mutterpartei zu legen (wie auch immer das gehen soll) genehmigte der CSD Berlin doch die Teilnahme eines LSU-Wagens an der Parade.
Ungleich unangenehmer ist, was derzeit in Köln passiert. Öffentlichkeitswirksam hat die rechtsextremistische Partei Pro Köln einen Wagen beim Kölner Christopher Street Day angemeldet, obwohl sie offen gegen die Gleichberechtigung homosexueller Lebensweisen und gegen die Förderung lesbischer/schwuler Projekte eintritt. Aggressiv vertritt die mit fünf Ratsmitgliedern im Kölner Stadtrat vertretene Partei rassistische und ausländerfeindliche Positionen und wendet sich explizit gegen ein solidarisches Miteinander in der Gesellschaft.
Aber genau hier findet sie den Ansatzpunkt zur Begründung für ihre Teilnahme. An rassistische Positionen in der lesbischen und schwulen Szene – etwa das Berliner Projekt Maneo (vgl. ROZ 112, „Maneo: Opfertelefon auf Feindbildsuche“ und Queer.de 2010 „Maneo-Umfrage gezielt manipuliert?“ – anschließend, möchte sie einen Spaltkeil zwischen die rassistisch diskriminierten Menschen auf der einen und die auf Grund der sexuellen Orientierung und der geschlechtlichen Identität Benachteiligten auf der anderen Seite zu treiben. Das taktische Manöver ist klar: Geteilte Kämpfe gegen Diskriminierung sind maximal halb so stark. Dass tatsächlich eine offene und plurale Gesellschaft entsteht, wird damit unwahrscheinlicher, was ganz im Sinne Rechtsextremer ist. Ziel von Pro Köln ist es offensichtlich, die Angst vor homophober Gewalt in eine ausländerfeindliche bzw. antimuslimische Angst zu kanalisieren. Sie beruft sich dabei auf Zahlen, die durch keine seriösen Quellen belegt sind (mehr dazu später).
Im Gegensatz zu den Berliner Organisator_innen entspann sich nun eine völlig skurrile Diskussion in deren Folge nicht nur ein Ausschluss der Rechtsaußen-Partei anfangs überhaupt nicht zur Debatte stand, vielmehr sich sogar zunehmend Befürworter (! tatsächlich ausschließlich Männer) einer Teilnahme von Pro Köln am CSD äußerten. Das waren aber nicht nur irgendwelche leicht zu ignorierenden anonymen Blogger_innen. Vielmehr stellte sich der Verleger des Kölner Stadtmagazins rik und des blu-Verbundes Olaf Alp mit einem Blogbeitrag in die erste Reihe. Er stellt die Frage „…ob ein solcher Ausschluss überhaupt angestrebt werden sollte.“ Er begründet sie damit, dass Pro Köln nicht verboten und durch die Wahl ins Kölner Abgeordnetenhaus demokratisch legitimiert sei. Verboten sind auch die Parteien NPD, DVU etc. nicht. Und auch sie, die genau wie Pro Köln gegen Offenheit und Pluralität gegenüber Lesben und Schwulen eintreten, werden von Menschen gewählt, nämlich von solchen, die sich von Lesben und Schwulen in ihrer Lebensweise bedroht fühlen.
Was danach kommt macht die eigentliche Gedankenwelt des Olaf Alp deutlich. Er meint, dass „linke Schwulenpolitik“ bei den „Sicherheitsinteressen Homosexueller im öffentlichen Raum“ versagt habe. Dass sei durch Maneo-Studien bewiesen. Aber selbst die Autoren der Maneo-Studie warnten vor einer solchen Interpretation – die Studien seien nicht-repräsentativ. Inzwischen ist bekannt, dass diese Studien sogar gezielt manipuliert wurden, um eine rassistische Wirkung gegen Menschen mit Migrationshintergrund zu erzielen (vgl. die oben benannten Beiträge).
Alp geht noch einen Schritt weiter und gibt sich damit endgültig als Wegbereiter der Rechtspopulisten zu erkennen. Er fordert den KLuST e.V. als Veranstalter des CSD auf, explizit Maßnahmen zu unterlassen, die einen Ausschluss von Pro Köln klarer rechtfertigen könnten, etwa eine Veränderung des Mottos. Er stellt fest: „Dem Diskussionsvakuum aber durch einen Ausschluss ausweichen zu wollen, ist ein Zeichen intellektueller Notdurft. Ein Paradewagen von ‚Pro Köln‘ ist sicher ein Stachel im Fleisch der Szene, aber er kann einen durchaus heilsamen Schmerz entfalten.“ Also soll ernsthaft die Beteiligung einer rechtsextremen Organisation den CSD politisch aufwerten?
Alp schreibt weiter und kommt zu dem Schluss, dass fehlende Konfrontation mit der Programmatik der Nazis in den 1930er Jahren ihren Erfolg erst ermöglicht hätte, eine Äußerung, die nicht nur historisch Humbug ist, sondern auch dazu dient zu verleugnen, dass die Nazis nicht irgendwelche „Aliens“ waren, die auf einmal alles übernahmen, sondern dass diese Nazis die konkrete deutsche Bevölkerung waren. Und auch sie wurden zunächst legitim von einem großen teil der deutschen Bevölkerung gewählt.
Die Äußerungen Alps sind nur eine Stimme (ähnlich lautende Kommentare kommen etwa vom Ex-KLuST-Vorstand Markus Danuser) haben aber Bedeutung. Der blu-Verbund als dessen Verleger und Mitbegründer Olaf Alp aktiv ist, kontrolliert inzwischen fast den gesamten Markt der kommerziellen schwulen Kostenloszeitschriften. Erst Ende Mai hat er auch die Zeitschriften hinnerk und leo aufgekauft. Zum Verbund gehören außerdem die Zeitschriften blu, gab, rik, exit, das schwule Datingportal Gayromeo und der Berliner Sender blu.fm. Dass in diesen Medien einiges im Argen liegt, wurde unter anderem mit rassistischen Ausfällen in der exit deutlich – im Dezember 2008 titelte sie etwa „HIV-Infektionen: Schwarze Aussichten für nächstes Jahr“, und wählte als Hintergrund-Illustration einen Schwarzen Mann.
Inzwischen hat der Kölner KLuST e.V: die Brisanz der Debatte erkannt und auf einer außerordentlichen Mitgliederversammlung bei zwei Enthaltungen einstimmig für den Ausschluss der Rechtsextremisten von der Demo gestimmt. Auch wenn in Summe davon gesprochen werden kann, das die Debatte durchaus zu einer politischen Schärfung beigetragen haben dürfte, bleibt ein schaler Geschmack bei so viel offen gezeigter Akzeptanz rechtspopulistischer Positionen in der Szene, insbesondere in einflussreichen Positionen. Der Schoß ist fruchtbar noch…