Am 6. Juni wird in Sachsen-Anhalt ein neuer Landtag gewählt. Es ist die letzte Wahl vor der Bundestagswahl. Nicht nur deshalb wird die Wahl besonders spannend! Erleben wir auch in Sachsen-Anhalt eine Halbierung des Ergebnisses der AfD im Vergleich zur vorherigen Landtagswahl, wie es zuletzt in BaWü und RPf der Fall war? Welche Folgen werden sich aus dem Abschneiden der Parteien für die Bundespolitik ergeben? Um solche Fragen soll es im Folgenden nicht gehen. Vielmehr bin ich die Programme der Parteien zur Landtagswahl im Hinblick auf queere / LSBTIQ* Themen durchgegangen, um Entscheidungshilfe zu bieten. Queer und LSBTIQ* steht dabei hier einfach für: Lesbisch, schwul, bi, trans*, inter*, queer.
Fangen wir mit der Partei an, die den Ministerpräsidenten stellt. Auf 83 Seiten stellt die CDU ihr leider völlig ohne Esprit daherkommendes Regierungsprogramm vor. Leider vergisst die Partei dabei komplett LSBTIQ*. An keiner Stelle wird auch nur ansatzweise auf Diskriminierung oder allgemeiner die Lebenswirklichkeiten von LSBTIQ* eingegangen. Familie wird als Verantwortungsort von Eltern für Kinder und Kinder für ihre Eltern definiert. Kinderlose Familien(!) und LGBTIQ* fallen hier per Definition raus. Konkret heißt es bei der CDU: „Familie ist überall dort, wo Eltern für Kinder und Kinder für Eltern dauerhaft Verantwortung tragen. Sie ist der Ort, an dem Partnerschaft und Solidarität gelebt und der Sinn für Gerechtigkeit vermittelt wird. In ihr reift der Mensch zur Persönlichkeit heran und entfaltet sich zur Freiheit in Verantwortung. Hier wer-den Werte gelebt, die sich aus dem christlichen Verständnis vom Menschen ergeben – seiner unveräußerlichen Würde und seiner Mitmenschlichkeit.“ Abgesehen davon, dass Kinder (also Personen bis 14 Jahre) per se keine Verantwortung für ihre Eltern tragen, sondern wenn sie erwachsen sind, Verantwortung tragen könnten oder sollten, werden durch die Erhöhung des Familienbegriffes als „Ort der Partnerschaft und Solidarität“ andere Lebensweisen, in denen zum Beispiel Erwachsene füreinander Verantwortung übernehmen, abgewertet. Möglicherweise erwarte ich hier zu viel – wer die CDU-Fraktion schon einmal in einer Landtags- oder Ausschusssitzung erlebt hat, wird nicht erwarten, dass es eine Sensibilität für Kinderrechte (keine Verantwortung für die Handlungen von Erwachsenen zu haben!) oder die Vielfalt von Lebensweisen geben könnte.
Der kleinere Koalitionspartner SPD befürwortet in seinem Programm konkrete Punkte unter dem Stichpunkt Antidiskriminierung: „Diskriminierungserfahrungen und damit verbundene Ausgrenzungsprozesse sind in einer demokratischen Gesellschaft, die die Werte der Gleichberechtigung und Solidarität repräsentiert, nicht hinnehmbar. Das neu in der Landesverfassung verankerte Diskriminierungsverbot werden wir mit entsprechenden Maßnahmen umsetzen. Insbesondere Homo- und Transphobie werden wir entschieden entgegentreten.“
Daher fordern die Sozialdemokrat*innen:
- „ein Landesantidiskriminierungsgesetz, mit dem Betroffene in der Wahrnehmung ihrer Rechte gestärkt werden und Beratung und Information sichergestellt werden sowie eine*n vom Parlament gewählte*n Antidiskriminierungsbeauftragte*n
- eine Verstetigung der bislang ESF-geförderten [Anm.: ESF steht für Europäischer Sozialfond] Beratungs- und Coachingangebote zum Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) und ihre Überführung in Landesförderung
- den Ausbau von Bildungsprozessen in Kita und Schule, die dazu beitragen, dass Menschen in ihrer Unterschiedlichkeit akzeptiert werden. Der Medienkoffer für Kita und Schule soll ausgeweitet werden
- Angebote zum Kompetenzerwerb in geschlechtersensibler und diskriminierungsfreier Pädagogik in Aus-, Fort- und Weiterbildung für alle Fachkräfte der Kinder- und Jugendhilfe sowie Lehrkräfte. Lernmaterialien sollen auf Geschlechterklischees und Diskriminierung überprüft und überarbeitet werden.
- eine Evaluation und Weiterentwicklung des Aktionsprogramms gegen Homo- und Transphobie sowie die stärkere Berücksichtigung von Homo- und Transphobie bei Programmen zur Gewaltprävention und zur Opferhilfe
- die Verbesserung des selbstbestimmten Zugangs von Transpersonen zum Gesundheitswesen
sowie die Qualifizierung und Sensibilisierung von Ärzt*innen für deren Situation und Bedürfnisse
- die Anwendung diskriminierungsfreier und geschlechtersensibler Sprache in allen öffentlichen Dokumenten
- eine personelle und finanzielle Stärkung der Beratungs- und Unterstützungsstrukturen für queere Menschen und ihrer Selbstorganisationen unter besonderer Berücksichtigung der spezifischen Bedürfnisse von LSBTTI- Jugendlichen, jungen Erwachsenen und Menschen mit Migrationshintergrund
- die Ergänzung von Artikel 3 des Grundgesetzes um das Verbot der Ungleichbehandlung aufgrund der sexuellen Identität. Wir unterstützen eine Bundesratsinitiative zur Novelle des Abstammungsrechts, um die Benachteiligung gleichgeschlechtlicher Elternpaare abzuschaffen“
Entsprechend sieht die SPD durchaus weitreichende Maßnahmen im Hinblick auch LSBTIQ* vor, allerdings werden sie lediglich bei den exzellenten Medienkoffern (ebenfalls empfehlenswert: Vielfalt erfahrenswert) angemessen konkret. So könnte – ebenfalls konkret – etwa gefordert werden, dass die Trans*-/Inter*-Beratung, die bereits am Universitätsklinikum Halle existierte, wieder eingerichtet wird. Auch die pädagogischen Fragen könnten klarer artikuliert werden: Können die Anstrengungen an Schulen und in der Ausbildung von Fachkräften zur Prävention von sexualisierter Gewalt um das Themenfeld LSBTIQ* ergänzt werden?
Bündnis 90/ Die Grünen präsentieren auf 164 Seiten (mir vorliegende redaktionelle Fassung) das mit Abstand umfangreichste Programm der Parteien, allerdings mit einigen Wiederholungen. Aus queerer Perspektive finden sich neben landespolitischen Forderungen vielfach auch Forderungen, die auf die Bundesgesetzgebung zielen, wie beispielsweise die Forderung nach der Abschaffung des Ehegattensplittings. Die Thematisierung der Rechte von und der Unterstützung für LSBTIQ* durchziehen das gesamte Programm. Allein 36 mal taucht das Kürzel LSBTIQ* im Programm auf.
Geschlechterpäritätische Besetzung aller Gremien im Land, Antigewaltarbeit, die Fortschreibung des LSBTIQ*-Aktionsprogramms, ein LSBTIQ*-Landeskompetenzzentrum inklusive der LSBTIQ*-Diskriminierungs-Meldestelle Sachsen-Anhalt (DiMSA) und ein besserer Schutz für LSBTIQ*-Geflüchtete sind hier die zentralen Forderungen. Außerdem soll die Landesverfassung im Artikel 76 und geschlechtliche Identität erweitert werden. Auf Bundesebene wird eine Grundgesetzänderung gefordert, um sexuelle und geschlechtliche Identität in Artikel 3 aufzunehmen. Auch wird die Fortsetzung der Gleichstellung von Regenbogenfamilien thematisiert.
Wichtig ist der Partei, vorhandene Aktionsprogramme nicht einfach zusammenzuführen, da damit wichtige Perspektiven untergehen könnten: „Die Zusammenführung des Programms für ein geschlechtergerechtes Sachsen-Anhalt, des LSBTIQ*-Aktionsprogramms sowie des Gender Mainstreaming Konzepts halten wir für nicht zielführend. Wir wollen alle drei unterschiedlichen Themenfelder getrennt und nachprüfbar bearbeiten.“
Zum gewünschten LSBTIQ*-Landeskompetenzzentrum führt die Partei genauer aus: „Die beiden unabhängigen LSBTIQ*-Landeskoordinierungsstellen in Sachsen-Anhalt – Fachstellen für Fragen zur sexuellen und geschlechtlichen Identität – wollen wir zu einem unabhängigen LSBTIQ*- Landeskompetenzzentrum Sachsen-Anhalt bei einem Träger mit zwei Standorten in Magdeburg und Halle zusammenfassen und es personell und finanziell auskömmlich ausstatten. Das Landeskompetenzzentrum soll in seiner Netzwerkfunktion mit fachlichem Austausch erweitert werden, die neu eingerichtete LSBTIQ*-Diskriminierungs-Meldestelle Sachsen-Anhalt (DiMSA) im Anti-Diskriminierungsschwerpunkt aus[ge]baut sowie der Schwerpunkt Aus- und Fortbildung von beruflichen Multiplikator*innen und Erwachsenen gestärkt werden.“
Weiter heißt es: „Wir zeigen homo- und trans*feindlicher Diskriminierung und Gewalt die Rote Karte. Projekten oder Organisationen, die LSBTIQ* und Angehörige und das soziale Umfeld beraten, unterstützen, oder die für Aufklärung, Öffentlichkeitsarbeit und Bildung in diesem Bereich tätig sind, sichern wir auskömmliche und kontinuierliche öffentliche Mittel. Gerade in den ländlichen Räumen fehlen Kontakt- und Beratungsmöglichkeiten für LSBTIQ*. Die kommunalen Gleichstellungsbeauftragten sind hier oft die einzige Anlaufstelle. Wir wollen diese stärken, um in Kooperation mit dem entwickelten LSBTIQ*-Landeskompetenzzentrum Sachsen-Anhalt vorhandene soziale und kommunale Strukturen für LSBTIQ*-Themen zu sensibilisieren und bestenfalls kommunale LSBTIQ*-Aktionspläne zu etablieren.
Wir wollen auch die Aufklärung, Bildung und Ausbildung von allen Pflege- und Heilberufen, von Hebammen über Pflegekräfte bis hin zu Therapeut*innen, zum Thema sexuelle, geschlechtliche und Gendervielfalt intensivieren und verbessern.“
Ein weiterer wichtiger Aspekt, den sich die Partei vornimmt, ist die Bildung, insbesondere unter dem Blickwinkel des Abbaus von Diskriminierung: „Schon in der Kita und im Unterricht müssen unterschiedliche sexuelle, Gender- und geschlechtliche Identitäten als selbstverständliche Lebensweisen vermittelt werden. Leitbild und Ziel der schulischen und außerschulischen Bildung ist die vorurteilsfreie und selbstbestimmte Findung der eigenen Identität. Jugendlichen muss ein Coming-out an ihrer Schule möglich sein, ohne körperliche oder verbale Gewalt zu befürchten. Dazu wollen wir LSBTIQ*-Ansprechpersonen an den Schulen etablieren. Sexuelle, geschlechtliche und gender- Vielfalt wollen wir zu einem festen Bestandteil der Erzieher*innen- Ausbildung machen. Die Aus- und Fortbildungen sollen für Lehrer*innen und sozialpädagogische Fachkräfte sollen verpflichtend so gestaltet werden, dass sie befähig werden, unterschiedliche sexuelle, Gender- und geschlechtliche Identitäten als selbstverständliche Lebensweisen zu vermitteln und wertneutral zu behandeln, sowie Geschlechterstereotypen zu erkennen und diesen entgegenzuwirken. Wir werden einen Bildungsplan mit Maßnahmen für Vielfalt und Akzeptanz von LSBTIQ* auf den Weg bringen.“
Es wird deutlich, dass Bündnis 90 / Die Grünen die Strukturen vor Ort kennen. Mitunter wirken die Ausführungen aber etwas zu lang und abgedroschen – etwa in den Ausbildungen von „Pflege- und Heilberufen, von Hebammen über Pflegekräfte bis hin zu Therapeut*innen“ finden sich bislang keine oder kaum Verweise auf LSBTIQ*-Themen, ähnlich sieht es bei Lehrkräften und Erzieher*innen aus. Hier müsste erst etwas geschaffen werden, bevor es Möglichkeiten gäbe, es zu „intensivieren und [zu] verbessern“.
Die Partei Die Linke will vor allem queere Jugendliche unterstützen und verweist dabei auf die Ergebnisse des 7. Kinder- und Jugendbericht Sachsen-Anhalts: „Der 7. Kinder- und Jugendbericht Sachsen-Anhalts konstatiert ein zu geringes Angebot für junge queere, inter* und trans* Menschen. Dabei gab gerade diese Gruppe am häufigsten an, Opfer von Gewalt geworden zu sein4. Das Jugendpolitische Programm des Landes und die örtlichen und überörtlichen Jugendhilfeplanungen müssen daher im Hinblick auf queere Lebensweisen angepasst werden. Die im Landesjugendhilfeausschuss beschlossenen Leitsätze für Diversität müssen umgesetzt werden. Dazu gehört, dass es in allen Landkreisen und kreisfreien Städten zentrale Anlaufstellen gibt, die für junge queere, inter* und trans* Menschen Beratungen sowie für Familien und pädagogische Fachkräfte Fortbildungen anbieten.“
In einem eigenen Kapitel beschäftigen sich die Sozialist*innen mit dem Abbau von Diskriminierungen und setzen sich für ein queeres Sachsen-Anhalt ein, betonen dabei jedoch auch die Möglichkeiten des Landes, auf Bundespolitik Einfluss zu nehmen: „Wir treten dafür ein, dass die Diskriminierung von Menschen wegen ihrer sexuellen Identität überwunden wird. Deswegen wirken wir auf Bundesebene weiterhin für eine Änderung des Grundgesetzes hin, die das verbietet. Wir wollen den Diskriminierungsschutz für Lesben, Schwule, Bisexuelle, transgeschlechtliche und intergeschlechtliche Menschen (LSBTI*) im allgemeinen Gleichstellungsgesetz verankern. Wir unterstützen die Forderung des LSVD nach einem Verbandsklagerecht für Antidiskriminierungsverbände. Geschlechtsangleichende Operationen bei intergeschlechtlichen Kindern sollten gesetzlich verboten werden. Das Transsexuellengesetz wollen wir durch ein modernes Geschlechtsidentitätsgesetz ersetzen, damit die Änderung des Vornamens sowie des rechtlichen Geschlechts problemlos beim Standesamt möglich ist. Wir werden die Umsetzung des neuen Adoptionshilfegesetzes kritisch begleiten und prüfen, inwiefern im Zuge dessen Diskriminierungstatbestände gegenüber Regenbogenfamilien erfüllt sind.
Auf Landesebene muss das ‚Aktionsprogramm für die Akzeptanz von LSBTI*‘ in einem Dialogprozess mit den im Land aktiven Verbänden, die sich für deren Interessen einsetzen, fortgeschrieben und an die aktuellen Entwicklungen angepasst werden. Die Förderung der LSBTI*-Landeskoordinierungsstellen ist fortzusetzen sowie die sich ergänzende fachliche Profilierung und deren Weiterentwicklung zu stärken. Der Lockdown hat auch die Beratungs- und Szenestrukturen von LSBTI* getroffen. Wir setzen uns dafür ein, den Beratungsstellen auch unter Pandemiebedingungen eine niedrigschwellige und sichere Arbeit zu ermöglichen. Hierbei dürfen der ländliche Raum und auch die Situation von Senior*innen nicht vergessen werden.“
Darüber hinaus beschäftigen sich die Linken mit Gewalt gegen LSBTIQ*: „Noch immer werden nicht alle Straftaten von den Opfern angezeigt – aus Scham, Angst oder aus anderen Gründen. Zugleich gibt es Probleme bei der Erfassung durch die Polizei. Wir fordern ein Bund-Länderprogramm gegen homo- und transphobe Gewalt, das zudem Präventionsstrategien beinhaltet und zum anderen eine Reform des polizeilichen Erfassungssystems, um Straftaten klar zuordnen zu können und eine jährliche Berichtspflicht. Es bedarf einer gesetzlichen Regelung im SOG LSA zum Wahlrecht von Trans* und Inter* bei polizeilichen körperlichen Durchsuchungsmaßnahmen. Der Titel der Ansprechperson bei Polizeidienststellen in Sachsen-Anhalt muss in „LSBTI*“ geändert werden.“
Und auch die Situation asylsuchender LSBTI* soll verbessert werden: „Wir setzen uns dafür ein, dass Basisinformationen über die Situation und Probleme von asylsuchenden LSBTI* für die Behörden bereitgestellt werden. Ferner fordern wir die Schaffung von sozialpädagogisch betreuten Schutzräumen für LSBTI* ab Beginn der Anerkennungsphase als Flüchtling und die Etablierung einer queeren Geflüchtetenhilfe.“
Für Bildung sieht die Linke erhebliche Fortschritte in der Vergangenheit und will diese fortschreiben und weiterentwickeln: „Queere Lebensweisen müssen verbindlich in die Curricula der Erzieher*innen- und Lehrkräfteausbildung aufgenommen werden, um diese als verbindlichen Bestandteil des Unterrichts zu verankern. Darüber hinaus muss die geschlechtliche Vielfalt in Fachlehrplänen und Unterrichtsmaterialien berücksichtigt werden. Das Kompetenzzentrum geschlechtergerechte Kinder- und Jugendhilfe Sachsen-Anhalt e.V. soll weiterhin institutionell gefördert werden. Die Einführung des Medienkoffers für Kitas und Grundschulen in Sachsen-Anhalt ist ein guter und richtiger Schritt hin zu einer geschlechtergerechten Bildung, jedoch kann dies nur der Anfang sein. Die Finanzierung des Medienkoffers muss daher verstetigt werden. Auch für die weiterführende Bildung zu geschlechtlicher und sexueller Vielfalt sollen bedarfsgerechte fachliche Angebote vom Land gefördert werden.“
Auch bei den Linken zeigen sich konkrete und kenntnisreiche Einlassungen, die auf Verbesserungen für LSBTIQ* abzielen. Gleichzeitig wird auch bei beiden Parteien gesellschaftlicher Aktivismus bedeutsam sein, alle Einrichtungen im Blick bleiben: Im Süden Sachsen-Anhalts hat das BBZ Lebensart für LSBTIQ*-Personen eine wichtige Funktion und sollte in den Aufzählungen nicht vergessen werden. Auch die migrantischen Verbände und jüdischen Gemeinden eröffnen Anknüpfungspunkte – etwa über ihre Aktivitäten zu Sexueller Bildung aus Vielfaltsperspektive – und sollten wichtige Ansprechpartner*innen sein.
Die parlamentarisch nicht vertretene FDP formuliert in ihrem Programm ebenfalls einen Absatz zu LSBTIQ*. Aufgrund der Strukturierung ist das Programm schwer zu lesenden (da sich Blöcke wiederholen). Durch die Wiederholung ganzer Blöcke des Programms an verschiedenen Stellen ist das Programm trotz der 74 Seiten relativ kurz. In dem Absatz, der sich mit LSBTIQ* beschäftigt, heißt es:
„Wir zeigen null Toleranz gegen diejenigen, die Menschen wegen ihrer sexuellen Orientierung oder geschlechtlichen Identität diskriminieren. Dies ist Grundsatz unserer Politik für LSBTTI. Dazu wollen wir etwa in der Jugendarbeit und in der Schule der Diskriminierung entgegenwirken und mit Aufklärung für Akzeptanz werben. Das Land hat die Aufgabe, entsprechende Strukturen zu finanzieren, die schulisch und außerschulisch arbeiten können, sowie Hilfsangebote zu finanzieren für Menschen, die Opfer von Diskriminierung werden. Wir werden ein ganzheitliches Diversity Management in der Arbeitswelt voranbringen, dass auch die heute vielfach unbeachteten Dimensionen Religion und sexuelle Orientierung berücksichtigt“
Zu beachten ist allerdings, dass sich die FDP explizit dafür einsetzt, das Geschlechtsmerkmal im Verwaltungshandeln überall dort zu entfernen, wo es nicht zwingend notwendig ist. Wie ohne Thematisierung von Diskriminierung von bestimmten Gruppen der Diskriminierung dieser Gruppen entgegengewirkt werden kann, erschließt sich nicht wirklich. Und obgleich sich die Partei gegen geschlechtergerechte Sprache ausspricht, setzt sie sich für Diverse ein: „Administrative Akte müssen vom Gedanken der Selbstbestimmung geprägt sein und spezifische Beratungsangebote sind zu fördern. Die freie Entfaltung der Persönlichkeit darf nicht von verschiedenen externen Gutachtern abhängig sein. Wir machen uns daher dafür stark, dass die Angabe des Geschlechts nur dort in der Verwaltung erfasst wird, wo dies unbedingt nötig ist. Darüber hinaus treten wir dafür ein, keine überzogene Gendersprache in der Behördenkommunikation zu verwenden.“ Sprache ist hier durchaus bedeutsam, da Behördenbriefe mit der Ansprache „Sehr geehrte Damen und Herren“ schlicht nicht funktionieren, wenn man auch das dritte Geschlecht – Divers – wahr- und ernstnehmen will. Trotz der Kürze der Thematisierung zeigen sich bei der FDP Widersprüche und unvereinbare Aussagen, sodass an der Ernsthaftigkeit ihrer Aussagen und ihres Engagemenents für die Bedrückten und Diskriminierten gezweifelt werden muss.
Die AfD gibt es in Sachsen-Anhalt auch. Statt etwas gegen Übergriffe gegen Frauen und gegen Kinder und Jugendliche zu tun und für die sexuelle und geschlechtliche Selbstbestimmung von Menschen einzutreten, fällt sie immer wieder durch Anfragen im Landtag auf, die die Legitimität der Forderungen von LSBTIQ* in Zweifel ziehen wollen. Aus ihrer Sicht handele sich bei Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Trans* und Inter* um eine Minderheit, die einerseits klein wäre und in Sachsen-Anhalt keine Diskriminierung erfahre. Sexuelle und geschlechtliche Selbstbestimmung thematisiert sie als Problem und möchte an ihren Vorstellungen aus den 1950er Jahren festhalten: „Wir bekennen uns zur traditionellen Familie bestehend aus Mutter, Vater und Kindern.“
Schulische Sexualpädagogik, wie sie in der BRD seit 1968 üblich ist und in der DDR schon seit den ausgehenden 1950er Jahren thematisiert wurde, schmähen die Rechtsextremen als „perverse Frühsexualisierung“. Die von den anderen Parteien gelobten Medienkoffern für Kitas und Grundschulen, die vom CDU-geführten Ministerium für Justiz und Gleichstellung beauftragt und vorangebracht wurden, sind den Rechtsextremen ein Dorn im Auge. Und auch ansonsten ist das Programm ein weiterer Hinweis darauf, dass die AfD ganz zu Recht vom Verfassungsschutz beobachtet wird und keine parlamentarische Option darstellt.
Abschluss:
Sowohl SPD, Bündnis 90 / Die Grünen als auch Die Linke kennen ihr Bundesland Sachsen-Anhalt. Ihre Vorschläge sind praxisnah, sollten aber nach der Wahl mit den jeweiligen zivilgesellschaftlichen Akteuren nochmal so nachjustiert werden, dass sie tatsächlich gute Wirkung entfalten können. Besonders bedacht und reflektiert sind die Thematisierungen von Bündnis 90 / Die Grünen und Die Linke. Die SPD hat einige gute Forderungen, LSBTIQ* scheint sie aber nicht als Schwerpunktthema zu sehen. Der CDU fehlt vollständig die Feinjustierung, was schon an begrifflich blamabler Ungenauigkeit deutlich wird (Kinder haben keine Verantwortung für ihre Eltern, das sollte spätestens nach den Missbrauchsskandalen klar sein!). Die AfD bewegt sich (auch) mit diesem Wahlprogramm jenseits der parlamentarischen Demokratie und hier gilt das Zitat von Bertolt Brecht: „Nur die dümmsten Kälber wählen ihre Schlächter selber.“