erschienen in Rosige Zeiten (Februar 2012)
Unregelmäßig wird an dieser Stelle über parlamentarische Aktivitäten in Landesparlamenten, im Bundestag und im Europäischen Parlament berichtet. Quellen dafür sind entsprechende Veröffentlichungen bspw. von Fraktionen in den Parlamenten, Drucksachen sowie die jeweiligen Parlamentsdatenbanken. Diese Aufzählung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Wenn etwas fehlt, dann einfach eine E-Mail an mich ( ralf@verqueert.de), ich versuche es dann nachzureichen. Neben parlamentarischen Informationen soll an dieser Stelle auch über Gerichtsentscheidungen informiert werden. Sofern nicht anders beschrieben liegen alle benannten Aktivitäten im Zeitraum Juli 2011 bis Januar 2012.
Viel ist im letzten halben Jahr nicht passiert, nachdem die meisten Bundesländer die beamtenrechtlichen Regelungen mehr oder weniger gut auf den Weg gebracht haben, sind in einigen Ländern Aktivitäten rings um Aktionspläne gegen Homophobie zu verzeichnen. Zudem haben einige Finanzgerichte mit unterschiedlichen Entscheidungen zur steuerlichen Ungleichbehandlung von eingetragenen Lebenspartnern und Lebenspartnerinnen für Bewegung gesorgt. Eine Antwort der Politik steht hierzu noch aus. Aber nun folgen die Geschehnisse im Einzelnen:
Im sächsischen Landtag haben im September die Fraktionen Die Linke, SPD und Bündnis 90/Die Grünen einen Antrag eingebracht, die Eingetragene Lebenspartnerschaft in allen landesrechtlichen Regelungen mit der Ehe gleichzustellen und einen Aktionsplan gegen Homophobie zu entwickeln (DS5/7079). Sachsen ist eines der wenigen Länder, die noch immer nicht die von Europäischen Gerichtshof verpflichtend geforderten Minimalanforderungen im Beamtenrecht umgesetzt haben. Sachsen ist das letzte Bundesland, welches erklärtermaßen keine Anstrengungen in diese Richtung unternimmt. Der Antrag war der vierte dieser Art, nachdem alle vorhergehenden Anträge durch die FDP/CDU-Koalition – mit Unterstützung der NPD – abgelehnt wurden. Auch dieser Antrag wurde mit dem Hinweis auf die für 2013 (!) geplante Novellierung des Beamten- und Dienstrechtes abgelehnt. Dann soll im Rahmen der Reform geprüft werden, inwieweit Regelung angepasst werden müssen. Nur zur Erinnerung: Der Europäische Gerichtshof sieht 2003 (!) als relevanten Stichtag für die Beendigung der Ungleichbehandlung. In der Aussprache im Parlament begründet die Regierungskoalition aus Christdemokraten und Liberaler Partei ihr Nichthandeln mit den zu erwartenden geringen Fallzahlen und der bisher ausgebliebenen Klagewelle. Individuelle Grundrechte werden parlamentarischer Bequemlichkeit untergeordnet. Die Betroffenen hätten das Recht, sich ihre individuelle Gleichstellung einzuklagen. Auch wäre ein Aktionsplan gegen Homophobie in Sachsen nicht nötig. Vielmehr würden die vielen Anträge der linken Opposition zu Aktionsplänen, wie für mehr Demokratie, Toleranz und gegen Homophobie zu dem Bild führen, Sachsen sei ein demokratiefeindlicher Sumpf, was nicht der Fall sei. Nach erfolgreicher Ablehnung setzte der CDU-Abgeordnete Patrick Schneider in einer persönlichen Erklärung diesem Demokratieverständnis die Krone auf, indem er von der Opposition verlangte, keine weiteren Anträge dieser Art mehr einzubringen, da die Position der (königlichen) Regierung ja nun wohl bekannt sei.
In Berlin hat die Fraktion Die Linke am 17.01.2012 einen Antrag eingebracht, welcher die Landesregierung auffordert, eine Bundesratsinitiative zu starten. Ziel dieser Bundesinitiative soll eine Entschädigung der nach 1945 wegen Paragraph 175 verurteilten Menschen sein. Gleichzeitig wird die Errichtung eines Dokumentations- und Forschungszentrums für die Verfolgung von Menschen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung und Identität von 1933 bis 1969 gefordert, das in Berlin eingerichtet werden solle. Der Antrag ist in der parlamentarischen Beratung.
In Schleswig-Holstein wurde ein Antrag von Bündnis 90/ Die Grünen vom 27.04.2010 nach über einjähriger Beratung im Rahmen einer Sammelabstimmung am 01.07.2011 abgelehnt. Die Annahme des Antrags mit dem Titel „Homophobie aktiv bekämpfen!“, der einen Aktionsplan gegen Homophobie zum Inhalt hat, wurde mit den Stimmen von CDU und FDP verhindert.
Ähnliches lässt sich für Bayern berichten. Ein Antrag zur Ausgestaltung eines Aktionsplans gegen Homo- und Transphobie vom 09.06.2011, eingebracht von der SPD (DS 16/8964), wurde mit den Stimmen von CSU, FDP und Freien Wählern im November abgelehnt.
In Baden-Württemberg ist mit dem Jahresende 2011 auch ein jahrelanger Sonderweg beendet worden. Bis auf wenige CDU-Abgeordnete stimmte der gesamte Landtag dafür, dass ab 01. Januar 2012 Lesben und Schwule die Eingetragene Lebenspartnerschaft auf dem Standesamt vollziehen können. Damit setzt sich der bundesweite Konsens zur Eingetragenen Lebenspartnerschaft, dass sowohl Ehen als auch Eingetragene Lebenspartnerschaften auf Standesämtern geschlossen werden sollten, mit zehnjähriger Verspätung auch in BaWü durch.
Rheinland-Pfalz hat mit dem neuen Dienstrechtsänderungsgesetz am 20.12.2011 die Gleichstellung verpartnerter Beamter mit denen die in der Ehe leben rückwirkend zum 01.08.2001 beschlossen.
Auch im Bundestag ist einiges passiert. Am 29.06.2011 brachten B90/Die Grünen einen Gesetzentwurf zur Öffnung der Ehe für Lesben und Schwule ein (DS 17/6343). Am 14.12.2011 folgte die SPD mit einem eigenen Antrag (DS 17/8155). Beide Anträge sind in der parlamentarischen Beratung, werden aber von FDP und CDU abgelehnt werden. Bereits im Juni 2010 hatte die Linke einen Antrag zur Öffnung der Ehe eingebracht (DS 17/2023), welcher ebenfalls noch nicht entschieden ist, aber ebenso abgelehnt werden dürfte.
Bereits am 29.11.2011 brachte die SPD einen Antrag zur „ Förderung eines offenen Umgangs mit Homosexualität im Sport“ ein. Die Bundesregierung wird darin aufgefordert, aktiv gegen Homophobie im Sport vorzugehen.
Selber aktiv wird die Bundesregierung in Sachen Gleichstellung derweil nicht. Diverse Finanzgerichte haben die steuerliche Ungleichbehandlung von Paaren in ELP zu solchen in Ehe als verfassungswidrig bezeichnet und dem obersten deutschen Gericht zur Entscheidung vorgelegt. Anstatt selber aktiv zu werden, will die Bundesregierung die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes abwarten. Die Entscheidung wird im Laufe dieses Jahres erwartet und die Bundesregierung hofft, so Zeit zu gewinnen. Dieses Nichtstun begründet sie auch schriftlich in einer Antwort auf eine Große Anfrage der Fraktion B90/Die Grünen mit dem Titel: „Verfassungsmäßigkeit der bestehenden Ungleichbehandlung eingetragener Lebenspartnerschaften gegenüber Ehen“
Den Gipfel an Heuchelei in Zusammenhang mit Rechten für Lesben, Schwule hat jedoch die FDP abgeschossen. Obwohl sie beispielsweise in den Wahlprüfsteinen und im Koalitionsvertrag (siehe Rosige Zeiten vom Juli und November 2009) festgeschrieben hat, als Regierungspartei aktiv die steuerrechtliche Gleichstellung von ELP und Ehe durchzusetzen, wird sie selbst hier explizit nicht aktiv. Vielmehr will sie nun die Öffnung der Ehe und damit die rechtliche Gleichstellung in ihr neues Grundsatzprogramm aufnehmen und hofft damit Punkte zu sammeln und Zeit zu gewinnen. Papier ist geduldig.