Unregelmäßig wird an dieser Stelle über parlamentarische Aktivitäten in Landesparlamenten, im Bundestag und im Europäischen Parlament berichtet. Quellen dafür sind entsprechende Veröffentlichungen bspw. von Fraktionen in den Parlamenten, Drucksachen sowie die jeweiligen Parlamentsdatenbanken. Diese Aufzählung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Wenn etwas fehlt, dann einfach eine E-Mail an mich ( ralf@verqueert.de), ich versuche es dann nachzureichen. Neben parlamentarischen Informationen soll an dieser Stelle auch über Gerichtsentscheidungen informiert werden. Sofern nicht anders beschrieben liegen alle benannten Aktivitäten im Zeitraum Juli 2010 bis Juni 2011. (erschienen in den Rosigen Zeiten 4/2011)
Ein Jahr ist seit den letzten Parlamentsnotizen vergangen. Zeit mal wieder einen Überblick zu geben, was sich seitdem parlamentarisch so getan hat.
Bund:
Am 25.05.2011 stellte die Linksfraktion einen Antrag, das Transsexuellengesetz endlich aufzuheben (DS17/5916). Nach zahlreichen entsprechenden Urteilen von Bundesgerichten – zuletzt rügte das Bundesverfassungsgericht im Dezember Regelungen des Transsexuellengesetzes (vgl. ROZ Nr.132) – wäre dies ein wichtiger Schritt, der längst überfällig ist. Man darf gespannt sein, mit welcher Begründung die Bundesregierung diesmal wieder den Entwurf ablehnen wird und beim Nichtstun verharren wird. Bereits im Juni 2010 hatte die Fraktion Bündnis90/Die Grünen einen Gesetzentwurf vorgelegt, der das Transsexuellengesetz durch ein „Gesetz über die Änderung der Vornamen und die der Geschlechtszugehörigkeit“ (DS17/2211) ablösen und die Namens- und Geschlechtsänderungen in Ausweisen durch Standesämter regeln sollte. Über den Antrag ist noch nicht entschieden.
Ebenfalls von Bündnis 90/Die Grünen eingebracht wurde der Antrag Grundrechte von Intersexuellen zu schützen (DS17/5528). Der im April 2011 in den Bundestag eingebrachte Antrag richtet sich vor allem gegen Zwangsoperationen und fordert, die Regelung für die Eintragung des Geschlechts ins Personenstandsregister so zu ändern, dass auch die Existenz von Intersexuellen berücksichtigt wird. Prophylaktische Operationen von Kleinkindern sollen unterlassen werden. Vor allem geht es darum, so die Partei, dass Aufklärung, Beratung und Hilfe für die Betroffenen und ihre Eltern zur Verfügung gestellt wird.
Ein Antrag von Bündnis 90/Die Grünen die Situation homo- oder transsexueller Jugendlicher zu verbessern ist gescheitert (DS 17/4546). Der Antrag forderte einen Ausbau kompetenter Beratungsstellen und warb für verstärkte Präventionsmaßnahmen gegen die Diskriminierung homosexueller und transsexueller Jugendlicher. Gegen den Antrag votierten die Regierungsfraktion von FDP, CDU und CSU. Begründung: kein Bedarf, Es werde schon genug getan.
Auch ein ebenfalls von Bündnis 90/Die Grünen eingebrachter Gesetzentwurf, der die Rehabilitierung der nach 1945 in Deutschland nach §175 Verurteilten vorsieht (DS17/4042) wird es wohl nicht zum Gesetz bringen. In der ersten Lesung vom 12. Mai 2011 haben die VertreterInnen von FDP und CDU ihre Ablehnung deutlich zu Protokoll gegeben. Ein inhaltlich fast identischer Antrag der damaligen PDS-Fraktion scheiterte übrigens an der damaligen Regierungsmehrheit von Bündnis90/Die Grünen und SPD.
Noch unbeantwortet ist eine Große Anfrage von Bündnis90/Die Grünen zur Verfassungsmäßigkeit der bestehenden Ungleichbehandlung von eingetragenen Lebenspartnerschaften und der Ehe vom Dezember 2010 (DS17/4112). Hier wird die sich anschließende Bundestagsdebatte spannend werden (die bei großen Anfragen folgt), in der die Bundesregierung begründen muss, wie – trotz gegenteiliger Urteile des Bundesverfassungsgerichts – immer noch das Lebenspartnerschaftsgesetz gegenüber der Ehe benachteiligt ist.Ein im März 2011 vom Land Berlin in den Bundesrat eingebrachter Entwurf für die Gleichstellung von hetero- und homosexuellen Paaren im Adoptionsrecht ist gescheitert (DS 124/11). Die Mehrheit im Bundesrat sprach sich nicht für eine entsprechende Entschließung und die damit verbundene Einbringung in den Bundestag aus. Vorher hatte die Justizministerkonferenz allerdings einer solchen Idee zugestimmt. Diese Entscheidung hatte jedoch nur Empfehlungscharakter.
Ebenfalls gescheitert ist ein Antrag im Bundesrat, die Ehe für Lesben und Schwule zu öffnen. Eingereicht hatte ihn ebenfalls der SPD-Die Linke Senat in Berlin.
Länder:
In Brandenburg hat die SPD-Die Linke Landesregierung am 31.05.2011 einen Gesetzentwurf (DS5/3328) vorgestellt, der das brandenburgische Landesrecht an das Lebenspartnerschaftsgesetz anpassen soll. Ziel des Gesetzes ist es, bestehende Ungleichbehandlungen zwischen Ehe und Lebenspartnerschaft im Landesrecht abzubauen.
In Nordrhein-Westfalen hat die Minderheitsregierung aus SPD und Bündnis90/Die Grünen im Dezember 2010 Handlungsschwerpunkte im Themenfeld LGBT vorgestellt. Dort heißt es: „Als erster Schritt wurde daher durch das Finanzministerium bereits der Referentenentwurf eines Gesetzes zur Herstellung der Gleichstellung im Besoldungs- und Versorgungsrecht des Landes erarbeitet. Die Einbringung in den Landtag ist für Anfang 2011 geplant. Darüber hinaus wird sich Nordrhein-Westfalen auf Bundesebene für Ergänzungen bzw. Angleichungen im Steuer- und Adoptionsrecht, Erbrecht und BAföG sowie bei der Öffnung der Ehe und der Novellierung des Transsexuellengesetzes stark machen.“ Zudem wurde ein Aktionsplan gegen Homophobie angekündigt. Man darf gespannt sein, was davon am Ende im parlamentarischen Prozess landet. Zumindest der angekündigte Entwurf für das Beamtenrecht wurde eingebracht und ist derzeit in der Diskussion. Geplant ist, das Recht rückwirkend zum Jahr 2003 wirken zu lassen. Dagegen hat der Städtetag NRW aufgrund finanzieller Auswirkungen Protest eingelegt.
Auch Schleswig-Holstein hat es endlich geschafft, das Beamtenrecht an die rechtlichen Regelungen anzupassen. Allerdings hat die CDU-FDP Koalition in ihrem Gesetzentwurf, der im Juli 2010 verabschiedet wurde, explizit eine rückwirkende Verbesserung auf das Jahr 2003 abgelehnt. Gleiches gilt für das Land Bayern. Ebenfalls im Juli 2010 und ebenfalls ohne rückwirkende Wirkung über das gesetzlich notwendige hinaus hat die CSU-FDP Koalition ein Gesetz zur Gleichstellung der Beamteten im Landesrecht verabschiedet. Und wenn wir schon bei konservativen Regierungen sind: Auch das Land Niedersachsen mit ihrer CDU-FDP Koalition hat im August 2010 entsprechende Regelungen für verlebenspartnerte Beamte eingeführt. Hier ist die Regelung allerdings erst zum 01.11.2010 in Kraft getreten und beinhaltet explizit keine rückwirkenden Ansprüche.
Inzwischen hat das Verwaltungsgericht Wiesbaden in einem Beschluss im Oktober 2010, die nicht rückwirkend erfolgte Gleichstellung im Land Hessen für verfassungswidrig erklärt. Im Mai 2011 hat auch der Europäische Gerichtshof ähnlich entschieden und damit sein erstes Urteil, welches die Gleichstellung von Lebenspartnerschaften gefordert hat, präzisiert. Demnach muss rückwirkend zur Einführung des Lebenspartnerschaftsgesetzes eine gesetzliche Gleichstellung im Beamtenrecht erfolgen. Bis auf Berlin und Hamburg hat bisher kein Bundesland eine rückwirkende Gleichstellung der verbeamteten Landesbeschäftigten beschlossen.