Parlamentsnotizen I
Unregelmäßig soll an dieser Stelle kurz (oder manchmal auch länger) über parlamentarische Aktivitäten in Landesparlamenten, im Bundestag und im Europäischen Parlament zu queeren Themen berichtet werden. Quellen dafür sind entsprechende Veröffentlichungen bspw. von Fraktionen in den Parlamenten, Drucksachen sowie die jeweiligen Parlamentsdatenbanken. Diese Aufzählung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Wenn etwas fehlt, dann einfach eine E-Mail an mich, ich versuche es dann nachzureichen. Neben parlamentarischen Informationen soll an dieser Stelle auch über Gerichtsentscheidungen informiert werden. Geschrieben sind die Beiträge für die Rosigen Zeiten Oldenburg, werden aber unabhängig davon und ggf. öfter auch hier veröffentlicht.
Ende September haben die Regierungen der Länder Berlin, Bremen und Hamburg eine Bundesratsinitiative gestartet, mit dem Ziel, das Diskriminierungsverbot des Grundgesetzes um das Merkmal der sexuellen Identität zu erweitern. Konkret geht es um Artikel 3 Absatz 3 Satz 1 („Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden.“) Die SPD Baden-Württemberg hat in dem dortigen Landesparlament den Antrag eingebracht, diese Initiative im Bundesrat zu unterstützen. Gleiches hat Die Linke in Sachsen-Anhalt getan.
In Niedersachsen hat der grüne Abgeordnete Briese die Landesregierung in einer Kleinen Anfrage um Information gebeten, wann mit einer Umsetzung eines Beschlusses des Landesparlamentes aus dem Oktober 2007 zu rechnen sei. Damals beauftragte das Parlament die Landesregierung, ein Gesetz zu erstellen, welches die Anpassung des Lebenspartnerschaftsgesetzes an das niedersächsische Landesrecht regelt. Das Lebenspartnerschaftsgesetz trat bekanntlich 2001 in Kraft. Im September 2009 hat der Innenminister auf die Kleine Anfrage geantwortet. Zusammengefasst: Alles sei so kompliziert, dass zwei Jahre nicht ausreichten, aber es sei bald mit einer Umsetzung des Beschlusses zu rechnen. Wir werden sehen.
Der Bremer Senat hat im August 2009 auf Beschluss des Parlaments einen Bericht „Die Lebenssituation von Lesben und Schwulen verbessern“ vorgelegt. Außerdem hat das Parlament am 27.05.2009, gegen die Stimmen der CDU und der Rechtsradikalen, die Landesverfassung geändert – in Ergänzung des Schutzes von Ehe und Familie wurde die Schutzbedürftigkeit von auf Dauer angelegten Lebensgemeinschaften in die Bremer Landesverfassung aufgenommen (Artikel 21 Bremer Verfassung).
In Rheinland-Pfalz wurde ebenfalls im September, gegen die Stimmen der CDU, ein Gesetz verabschiedet, welches Lebenspartnerschaften im Beamtenrecht mit denen der Ehe gleichstellt. Gleichzeitig wurde dazu ein Entschließungsantrag der CDU abgelehnt, welcher forderte: „… zu evaluieren, inwiefern die Regelungen des Gesetzes in ihrer Wirkung den Ansprüchen aufgrund der herausragenden Bedeutung von Ehe und Familie und den damit verbundenen Schutzaufträgen nach Grundgesetz und Landesverfassung gerecht werden“. In ihrer Begründung stellte die Union klar, das Ehe auf Nachkommenschaft ziele, daher verfassungsmäßig keine Gleichstellung stattfinden dürfe.
In Bayern haben Bündnis 90 / Die Grünen im Oktober einen Antrag eingebracht, der die Gleichstellung homosexueller Beamter fordert. Der Antrag ist in der parlamentarischen Beratung.
In Schleswig-Holstein haben Bündnis 90 / Die Grünen im Oktober einen Antrag zur Gleichstellung von Eingetragenen Lebenspartnerschaften eingebracht. Ziel ist die Gleichstellung im Beamtenrecht.
Im Juni 2009 hat der Landtag von Baden-Württemberg gegen die Stimmen von SPD und Bündnis 90 / Die Grünen beschlossen, dass Eingetragene Lebenspartnerschaften auch weiterhin nicht per Gesetz in Standesämtern geschlossen werden sollen, sondern dies kommunal geregelt bleibt. Gleiches gilt für die Gebührenordnung. Damit bleibt BaWü eines der wenigen Bundesländer, die von der Öffnungsklausel im Lebenspartnerschaftsgesetz Gebrauch machen.
In Hessen haben die Regierungsfraktionen CDU und FDP angekündigt, bis Oktober einen Antrag zur Gleichstellung von eingetragenen Lebenspartnerschaften im Landesrecht einzubringen. Bis Anfang November lag dieser Antrag allerdings noch nicht vor. SPD und Bündnis 90 / Die Grünen hatten im Vorfeld eigene Anträge zur Gleichstellung eingebracht.
Das europäische Parlament hat in einer Entschließung ein Gesetz in Litauen verurteilt, welches zum „Schutz von Minderjährigen“ Werbung für Homosexualität unter Strafe stellt. Das litauische Gesetz soll im März 2010 in Kraft treten.
Last but not least hat das Bundesverfassungsgericht im Juli entschieden, dass in der betrieblichen Altersvorsorge im öffentlichen Dienst (VBL) hinterbliebene Lebenspartner genauso behandelt werden müssen, wie Hinterbliebene einer heterosexuellen Ehe. Es ist davon auszugehen, dass das Urteil auch für Privatwirtschaft und gesetzliche Rente Wirkung erlangen wird. Spannend ist jedoch eigentlich der zweite Satz der Begründung: „Geht die Privilegierung der Ehe mit einer Benachteiligung anderer Lebensformen einher, obgleich diese nach dem geregelten Lebenssachverhalt und den mit der Normierung verfolgten Zielen der Ehe vergleichbar sind, rechtfertigt der bloße Verweis auf das Schutzgebot der Ehe gemäß Art. 6 Abs. 1 GG eine solche Differenzierung nicht.“ Im Klartext heißt das, dass jede Ungleichbehandlung zwischen Lebenspartnerschaft und Ehe als verfassungswidrig betrachtet werden kann. Hier ist einiges zu erwarten.