Seit dem 1.Mai 2004 hat die EU neue Mitglieder. Dieser Status verpflichte sie, ebenfalls wie alle anderen Mitgliedsländer, europäisches Recht in nationale Gesetze umzuwandeln. Ein viel diskutierter Punkt sind dabei die Antidiskriminierungsregeln, die unter anderem homophobe Gesetze und Verhaltensweisen abbauen wollen.
Das die gesellschaftliche Realität vielfach eine andere ist, wissen wir aus den Erfahrungen auch aus den alten EU-Staaten. Eine neue Qualität wird jedoch beispielsweise in Polen erreicht. 3 aktuelle Beispiele belegen das:
Polnische Studenten, Mitglieder des Vereins “Kampangne gegen Homophobie”, organisierten eine wissenschaftliche Konferenz sowie einen Marsch für Toleranz und Demokratie in Krakau, Ex-Kulturhauptstadt von Europa. Ihr Anliegen stieß auf Proteste und Hass. 6 Tage nach Polens Eintritt in die Europäische Union wurde die Konferenz außerhalb der Stadt durchgeführt. Der Rektor der Krakauer Jagellionski – Universität begründete die Wahl dieses Ortes mit Sicherheitsbedenken.
Nach Bekanntwerden der Konferenz und des Marsches hat die polnische katholische Jugendorganisation sowie die polnische “Liga für Familie” 250 000 hetzende Protestkarten verteilt, um zu erreichen, dass der Rektor der Jagellionski – Universität die Konferenz absagt und der Bürgermeister den Marsch verbietet. Gleichzeitig starteten die stark katholisch beeinflussten Medien eine Kampangne gegen Homosexualität.
Nach der Konferenz berichtete das Krakauer Frühstücksradio über das Stattfinden der Konferenz. Der Moderator fügte (sinngemäß) hinzu: “Ich werde ihnen nicht die Titel der Beiträge nennen. Es könnte sonst dazu führen, dass sie sich am Frühstückstisch übergeben müssen.”
Der Marsch für Toleranz und Demokratie begann in der Nähe des Universitätsgebäudes. Der Marsch sollte über die Parkstreifen um die Stadt führen. Er musste jedoch 3 Mal umgeleitet werden, da Gegendemonstranten die angemeldete Route blockierten. Der Marsch wurde zum Schutz während der gesamten Zeit durch Polizeikräfte begleitet. Auf einer zur Burgmauer führenden Anhöhe hatten sich ca. 200 Menschen versammelt. Die Demonstranten waren zu diesem Zeitpunkt bereits eingeschlossen von Gegendemonstranten. Hetzparolen ertönten. Es wurde mit Eiern und Steinen auf die Teilnehmer des Marsches geworfen. Die Polizei musste ihre Ratlosigkeit zugeben. Mit den vorhandenen Kräften war kein ausreichender Schutz mehr zu gewährleisten.
Die VIP’s wurden von der Polizei aus dem Gefahrenbereich gebracht. Danach gab es eine Lagebesprechung mit dem Ergebnis, den Marsch abzubrechen. (quelle: Bericht von Colin de la Motte-Sherman, zu finden im Forum von www.etuxx.de)
Ein anderes Beispiel kommt aus Warschau.
Nachdem zunächst christliche Fundamentalisten mit 750000 Flugblättern gegen eine lesBiSchwule Parade in Warschau Stimmung gemacht hatten, verbot Warschaus Oberbürgermeister Lech Kaczynski nun die Parada vollends. Zweimal hatte Lech Kaczynski den Organisatorinnen der Parade für die Gleichstellung von Lesben und Schwulen die Genehmigung bereits mit einem Verweis auf die nicht abschätzbare Sicherheitslage bei Gegendemonstrationen verweigert. Diesmal begründete er seine Entscheidung damit, dass „Pornografie verbreitet“ werde „und die religiösen Gefühle anderer verletzt“ würden.
Eine 2003 landesweit geklebte Plakatkampagne, die einfach nur schwule und lesbische händchenhaltende Paare zeigt musste nach einer Woche nach wütenden Protesten und Sachbeschädigungen abgebrochen werden.
Das allein mit der Rolle der katholischen Kirche und der ihr innewohnenden Homophobie zu erklären, bekanntermassen bedeutende Kraft in Polen reicht nicht aus. Mangelndes Demokratie- und Toleranzverständnis lässt sich nicht mit EU-Verordnungen und Richtlinien bekämpfen. Westeuropäische Arroganz und die Forderung nach unreflektierter Übernahme westeuropäischer „Werte“ helfen nicht weiter. Sie verstärken nur die Abwehr und latente antieuropäische Haltung gegenüber Brüssel. Notwendig sind neue Ideen und Ansätze gemeinsam mit unserem Nachbarn um die Situation von Lesben und Schwulen, aber auch anderen Minderheiten, wie Sinti und Roma grundlegend zu verbessern.
Ein wesentlicher Aspekt dafür ist die Nutzung von Kontakten von Nichtregierungsorganisationen und Behörden zu ihren Partnerorganisationen in diesen Ländern verstärken und diese dafür nutzen, die Situation der Minderheiten der Gesellschaft zur Sprache zu bringen und Bewusstsein für diese Problematik zu schaffen. In allen EU-Mitgliedsländern muss offensiv daran gearbeitet werden die Diskriminierung von Menschen aufgrund ihrer Identität, sexuellen Orientierung oder Lebensweise zu beenden.
Im Übrigen warten wir auch in der bundesrepublik auf ein wirksames Antidiskriminierungsrecht, auch im Zivilrecht immernoch vergebens. Konkrete Arbeit vor Ort wird vielfach leeren kommunalen Kassen geopfert. Hier etwas entgegenzusetzen und damit auch ein Beispiel zu geben und die Forderung nach Gleichberechtigung Andersl(i)ebender mit konkreter Arbeit zu untersetzen, sind Vorraussetzung für eine glaubwürdige und damit auch ziehlführende europäische Antidiskriminierungspolitik.