ein Gastbeitrag vom Melissa Schultz
Jason Somervilles Karriere geht derzeit steil bergauf. Der Poker-Profi hat die Gaming-Community im Sturm erobert und hat schon mehr als 3.500.000 $ bei Live-Turnieren gewonnen. Fünf Millionen Zuschauer folgen ihm auf seinem Twitch-Kanal und seine Twitter-Fanbase wächst von Tag zu Tag. Derzeit ist der einzige männliche Profi-Pokerspieler der offen mit seiner Homosexualität umgeht. Er veröffentlichte in einem aufwendigen und innigen Blog-Eintrag sein lang gehütetes Geheimnis, wie auch seine emotionale Belastung.
Die Entscheidung sich zu outen, nahm der Pokerspieler nicht so einfach auf die leichte Schulter. Eigentlich war der Gedanke, damit an die Öffentlichkeit zu gehen, gar nicht geplant. Das änderte sich allerdings spätestens zu dem Zeitpunkt als sein Freund ihn zu einem Turnier in die Karibik begleiten wollte. Somerville wollte ihn nicht einfach als guten Freund abtun „Ich wollte der Beziehung nicht Respektlosigkeit entgegenbringen“ erklärt er ein einem Interview.
„Nach dem letzten ‚World Series of Poker‘ ging ich nach Hause und sagte mir: Du wirst dich nicht darauf konzentrieren Geld zu verdienen, du wirst darauf konzentrieren glücklich zu werden. Ich war allein und verärgert. Ich nahm einfach die Tatsache hin, dass ich unglücklich war … Ich sagte mir, jetzt ist es genug.“
Für viele war das Coming-Out von Somerville eine schöne und herzerwärmende Sache. Bei einem Pokerspiel gibt es keine physischen Anforderungen, es besteht aus strategischer Analyse und psychologischer Einsicht – das bringt einen an die Spitze. Man könnte meinen, dass die Poker-Community offenherzig und einladend ist. Doch leider besteht immer noch die alte Vorstellung vom männlichen Ideal in den Köpfen vieler. Dieses alte Denken lässt sich auch aufgrund der Pokergeschichte nicht einfach mal über Bord werfen.
Es ist leider eine Tatsache, dass Bekannte Profi-Pokerspieler nicht gerade offen mit dem Thema um gehen, denn offensichtliche nicht-hetero Männer scheinen im Poker nicht besonders beliebt zu sein. Dies ist ein Überbleibsel einer alten Mentalität, denn die weltliche Standardansicht besagt „nichts fragen und nichts sagen.“ Somerville sieht offenbar zu dieser altmodischen Ansicht einen Nachholbedarf bei der Aufklärung zu dem Thema, denn trotz hunderter männlicher Profi-Spieler, hat sich nur einer öffentlich als schwul geoutet. Das „Poker Face“ impliziert einen emotionslosen Spieler und hat einen klaren Vorteil gegenüber jenen Spielern, die nicht in der Lage sind, ihre Gefühle zu verbergen und die in der weiteren Folge, Hinweise zu ihrem Blatt zugeben. Wer Emotion auf dem Kartentisch zeigt, zeigt zugleich Schwäche.
Beleidigungen wie „Homosexueller“ und „Schwuchtel“ werden so schnell wie Poker Chips über den Kartentisch geworfen – und das ständig, ohne das viel darüber nachgedacht wird, welchen Effekt diese Worte haben könnten. Typisch in einer hyper-maskulinen Kultur, in der es viele Alpha-Männchen gibt. In der Welt des Pokers bedeutet dies große Einsätze und die Macht Menschen einschüchtern zu können.
Auch die Casinos und die heteronormative Sexualisierung von Frauen sind damit verbunden. Neben jedem Casino in Las Vegas findet man einen Strip-Club, Millionen-Dollar-Jackpot-Gewinne werden mit einem Bild eines Starlets abgelichtet um sie zu promoten. Alles in allem ist die Umgebung für jene Pokerspieler, die nicht gerade dem „männlichen ideal“ entsprechen, nicht sehr entgegenkommend. Es ist interessant zu hören welche Meinung Vanessa Selbst zu dem Thema Diskriminierung Homosexueller in der professionellen Pokerwelt vertritt. Die offensichtliche homosexuelle Pokerlegende bewegt sich selbst in dieser heterozentrierten Umgebung und ist berühmt für ihre Intelligenz und ihr androgynes Aussehen. Sie behauptet, ihre sexuelle Orientierung sei nie ein Problem in ihrer Karriere gewesen. Eher noch, als ihre sexuelle Orientierung, war aber sehr wohl die Tatsache eine Frau in diesem männerdominanten Sport zu sein, ein Thema. „Ich habe nie Vorurteile gegenüber meiner Homosexualität erfahren, aber sehr wohl dafür eine Frau zu sein“, sagt Vanessa Selbst. Vielleicht gerade weil sie als Poker-Profi ein sehr jungenhaftes Aussehen mitbringt, fühlt sie sich in den Kreisen wohl, in denen sie spielt, aber das macht sie trotzdem nicht immun gegen Sexismus.
„… Manchmal werde ich nicht zu den Spielen eingeladen, weil die Männer nur unter sich sein wollen und das wird mir auch explizit so vermittelt.“
Nach altem Klischeedenken ist Poker ein Spiel in der Herren-Zigarren-Lounge, wo keine Frauen erlaubt sind. Gespielt wird Poker, in anderen Worten, ein traditionelles Männer Spiel, mit allem, was dies mit sich bringt: Whiskey trinken, über Frauen reden und gelegentliches Geplänkel. Im Falle der Spieler Dan Bilzerian und Jeff Gross, die das „kleine Geplänkel“ einmal mehr wegen einer extremen Wette für zu voll genommen haben. Die Proposition Bets der Las-Vegas-Pros werden immer absurder, wobei Bilzerian Gross für ein LGBT Regenbogen-Tattoo auf dem Rücken $ 550.000 bezahlt haben soll. In anderen Worten, hält Bilzerian eine Tätowierung in Form eines Regenbogens für so erniedrigend und empfindet dies sogar als „Strafe“, dass er sogar $ 550.000 für eine Wette hingeblättert hat.
Was zweifelsohne als harmloser Spaß gedacht war, kam dann doch wohl anders rüber. Bilzerian und Gross könnten sich nicht weniger um die Rechte homosexueller Menschen scheren. Die LGBT-Bewegung ist nichts anderes als ein Gegenstand des Spottes für sie. Wegen Spielern wie Bilzerian und Gross werden homosexuelle Spieler sich zweimal überlegen, ob sie ihre sexuelle Orientierung enthüllen oder es doch lieber sein lassen.
Wie auch immer – Someville bereut sein öffentliches Coming-Out nicht, im Gegenteil. Dieser spricht von einer neugewonnen Freiheit und verrät, dass er überwiegend positives Feedback aus der Pokerwelt und der gesamten homosexuellen Gemeinde erfahren hat. Die Reaktionen der Menschen waren freundlich und hilfsbereit und er geht sogar so weit zu sagen, dass es der beste Tag seines Lebens gewesen sei. „Ich habe die Entscheidung getroffen, weil ich dachte, es wäre das Beste was ich für mich tun konnte, vielleicht kann mein Coming-Out-Prozess auch anderen helfen. Ich würde mich geehrt fühlen.“ sagt Somerville. Er ist zu einem Sprecher für homosexuellen Profi-Spieler avanciert und erntet dafür überwiegend positive Resonanz. Dieses vielversprechende Zeichen lenkt die Poker-Community in die richtige Richtung.
Können homosexuelle und transgender Spieler in Zukunft ihr Glück beim Online-Poker versuchen ohne dabei auf Vorurteile und Diskriminierungen auf dem Kartentisch zu stoßen? Dieser Gedanke bezieht sich natürlich auch auf die Diskriminierungen während den Live-Turnieren. „Poker sollte ein Spiel für jedermann sein, egal ob weiß, schwarz, christlich, jüdisch, weiblich, körperlich behindert, ein Ausländer oder sonst etwas“ so Somerville. Es wird Zeit, dass sich Poker ins 21. Jahrhundert bewegt.