Die gute Nachricht vorneweg: Der Kulturausschuss der Stadt Hannover, hat (teilweise) gegen die Stimmen der CDU am heutigen 19.9.2014 die Errichtung des Deserteursdenkmal auf dem Stadteilfriedhof Fössefeld beschlossen. Damit endet ein zweijähriger Prozess, bei dem am Ende ein mehr schlecht als rechter Kompromiss herauskam.
Noch einmal zur Erinnerung: Seit Anfang der 90er Jahre steht ein Denkmal für den unbekannten Deserteur – initiiert von einer Friedensinitiative auf dem dem Trammplatz. Das Denkmal – nicht für einen solchen langen Zeitraum ausgelegt, war als solches jedoch kaum noch zu erkennen und wurde im Juli 2014 im Rahmen der Baumaßnahmen zur Umgestaltung des Platzes vor dem Rathaus entfernt und auf den Bauhof verbracht.
2012 beschloss der Kulturausschuss, das ein Denkmal neu ausgeschrieben und in einem Wettbewerb das vorhandene ersetzen solle (ausführlich dazu hier). Stattdessen schlug die Verwaltung im Antrag 1645/2014, welcher am 19.09.2014 im Kulturausschuss beschlossen wurde, vor, das ein Kunstobjekt auf dem Fössefeldfriedhof aufgestellt werden solle. Dieses Denkmal wurde vom Künstler_innenehepaar Breuste konzipiert und trägt den Titel ‚UNGEHORSAM 1939-1945‘.
Parallel – so sieht es der Beschluss vor – wird eine Informationstafel aufgestellt, die einen erläuternden Text enthalten soll. Dieser Text wurde federführend von der Otto-Brenner-Akademie unter Mitwirkung der DFG-VK bzw. des Friedensbüros erstellt und stand mit zur Abstimmung.
Soweit so unspektakulär. Bereits im Juli sollte dieser Entwurf abgestimmt werden, da hatte aber die CDU etwas dagegen. Für die Septembersitzung des Kulturausschusses brachte sie folgerichtig einen Änderungsantrag ein.
Zu Beginn der Sitzung bat Klaus Falk im Rahmen der Einwohner_innenfragestunde, sich des Andenkens an die wegen Desertion, Wehrkraftzersetzung oder Kriegsverrat hingerichteten Soldaten wegen über kleinere inhaltliche Differenzen hinwegzusehen und dem Beispiel Kölns zu folgen und einstimmig für die Einrichtung des Deserteursdenkmals zuzustimmen.
Leider war die Hoffnung vergebens. Die CDU forderte in ihrem Antrag, das an prominenter Stelle in der Hinweistafel ein Text eingefügt werden soll: „Fahnenflucht ist in allen demokratischen Staaten ein Verbrechen. Erinnert werden soll daher an diejenigen Menschen, die sich mit ihrer Desertion oder ihrem sonstigen Verhalten ausdrücklich im Widerstand gegen ein Unrechtssystem positionieren wollten.“
Begründet wurde dies damit, das im Gedenkteil nicht ausdrücklich genug auf die NS-Zeit hingewiesen worden sei und der Eindruck vermittelt würde, Desertion sei immer gutzuheißen.
Vom inhaltlichen Unsinn abgesehen – schließlich ist Desertion beispielsweise im deutschen Recht maximal ein Vergehen – versuchen die Christdemokraten das Denkmal umzudeuten und gerade die einzelne individuelle Sicht, die individuelle Entscheidung, die meist gerade nicht politisch besetzt war zum Verschwinden zu bringen. Oder um es mit Alfred Andersch zu sagen: Der Wille zum Leben.
In ihrer mündlichen Begründung wurden sie noch deutlicher: Es wäre problematisch, einzelnen Opfergruppen zu gedenken, da andere damit implizit herabgewürdigt würden.
Entsprechend war der Widerspruch aller anderen Parteien (B90/Grüne, SPD, Linke und FDP). So sagte der Vertreter der Grünen: Desertion sei ein Menschenrecht, wie das Recht auf Überleben“.
Der CDU Antrag wurde gegen die Stimmen der einreichenden Fraktion abgelehnt. Entsprechend lehnte die CDU – entgegen dem eingangs zitierten Wunsch von Klaus Falk – den Antrag zur Aufstellung einer Informationstafel ab. Die anderen Parteien waren einstimmig dafür. Beim Antrag über die Aufstellung des Breuste-Denkmals konnte sich nur der schon bisher als Scharfmacher in Erscheinung getretene Stadtrat Fischer von der CDU nicht durchringen, dem Antrag seine Zustimmung zu geben.
Abschließend muss der Antrag noch in den Verwaltungsausschuss, dort dürfte die Verabschiedung nur noch eine Formalie sein. Mit einer Aufstellung ist witterungsabhängig im November oder im nächsten Frühjahr zu rechnen.
Bleibt die Frage: Wie jetzt weiter. Zum Einen ist dringend zu klären, wie es mit dem vorhandenen alten Denkmal weitergeht und es nicht still und leise verschwindet. Zweitens müssen sich alle am Thema Interessierten – so wie es der Antrag vorsieht – zusammensetzen, um den Gedenkort Fössefeldfriedhof zu einem wirklichen Ort des (Ge-)denkens und Mahnens zu machen.