dokumentiert: Pressemitteilung des Bundesausschusses Friedensratschlag
Kassel, 13. Juni 2012 – Zur Rede des Bundespräsidenten bei der
Führungsakademie der Bundeswehr in Hamburg erklärte der Sprecher des
Bundesausschusses Friedensratschlag in einer ersten Stellungnahme:
Es sollte eine Rede des hohen Tons und der großen Gefühle werden. Am
Ende präsentierte Bundespräsident Joachim Gauck aber nur mächtige
Worthülsen. Da war von „meiner Armee“ und von „unseren Soldaten“ als
„Dienern“ die Rede, von einer wahren „Armee des Volkes“ als einem Teil
des „Demokratiewunders“, das die Deutschen 1989/90 geschafft hätten. Und
da wurden die hehren Ideale und Ziele der Bundeswehr gepriesen,
„Freiheit, Sicherheit, Menschenwürde und das Recht des Einzelnen auf
Unversehrtheit“ zu verteidigen – und zwar in der ganzen Welt.
Mit keinem Wort ging Gauck auf die Interessen der deutschen Wirtschaft
ein, Märkte für den Export zu sichern, Handelswege notfalls
„freizukämpfen“ oder sich „freien Zugang zu lebenswichtigen Ressourcen
und Rohstoffen“ in aller Welt zu schaffen. Das ist immerhin der
unverblümte Auftrag der Bundeswehr in den Verteidigungspolitischen
Richtlinien von 1992, 2003 und 2011 und der Weißbücher 1994 und 2006.
Horst Köhler hatte wegen eines etwas holprig daherkommenden Interviews
vor drei Jahren auf diese Zusammenhänge aufmerksam machen wollen – und
musste sein Präsidentenamt aufgaben. Offenbar hält sich Gauck an eine
Grundregel der politischen Klasse: Über die ökonomischen Interessen der
Politik spricht man nicht, man setzt sie nur durch.
Obwohl das Instrument Militär zum sensibelsten Bereich der Politik und
des nationalen und internationalen Rechts gehört, existieren für Gauck
weder das Grundgesetz der Bundesrepublik mit seinem den Krieg ächtenden
Art. 26 und die Bundeswehr auf Landesverteidigung verpflichtenden Art.
87a, noch die UN-Charta mit dem strikten Gewaltverbot nach Art. 2,4,
noch der Einigungsvertrag von 1990, der in Art. 2 definitiv verlangt,
„dass von deutschem Boden nur Frieden ausgehen wird“. Er stellt demnach
auch nicht die Frage, ob Krieg völkerrechtlich oder ethisch sein darf,
sondern ihn interessiert nur noch, ob militärische Einsätze „die
gewünschten Ziele erreichen“ oder „ob wir im Einzelfall die Mittel
haben, die für ein sinnvolles Eingreifen nötig sind“.
So ist der letzte Schritt nicht mehr weit: Für Gauck gibt es wieder den
„gerechten Krieg“. Originalton: „Sie (die Bundeswehr) hat unser Zutrauen
verdient, nicht nur in Debatten um den ‚gerechten Krieg‘ zu bestehen,
sondern auch einem ‚gerechten Frieden‘ einen Weg zu bahnen.“ Hätte der
ehemalige Pastor und Kirchenfunktionär doch nur das Wort der deutschen
Bischöfe aus dem Jahr 2000 zur Kenntnis genommen! Dort hatte sich die
Kirche endgültig von Begriff und Konzeption des „gerechten Kriegs“
verabschiedet.
In Kreisen der Bundeswehr wird die Rede Gaucks überschwänglich gefeiert
und heute schon als „historisch“ bewertet. In einem negativen Sinn soll
sie es auch sein: Gauck soll mit seiner Lobrede die Köpfe und Herzen der
Menschen für die Sorgen und Nöte der Soldaten öffnen, soll das einstmals
beklagte „freundliche Desinteresse“ an der Bundeswehr in eine
begeisterte Zustimmung verwandeln. Die Auslandseinsätze der Bundeswehr,
der „Armee im Einsatz“, werden – geht es nach den Plänen von Regierung
und NATO – zunehmen. Dafür braucht sie zunehmend die Unterstützung der
„Heimatfront“. Gauck scheint der rechte Mann dafür zu sein.
Peinlich, dass er in seinem Eifer nicht merkt, dass die Bundeswehr dabei
ist, das zu werden, was er zu Beginn seiner Rede so heftig kritisiert:
Mit Blick auf die DDR geißelt er dort „Aufmärsche“ und „die
Militarisierung der Schulen“. Hat er denn noch nicht von den
öffentlichen Gelöbnissen, der Präsenz der Bundeswehr bei Volksfesten und
Messen oder der Teilnahme von Presseoffizieren an Schulveranstaltungen
gehört?
Eines können wir nicht nur für den Bundesausschuss Friedensratschlag,
sondern für die Friedensbewegung insgesamt sagen: Von diesem Präsidenten
werden wir nicht vertreten.
Für den Bundesausschuss Friedensratschlag:
Peter Strutynski (Sprecher)