Bis in die 80er Jahre hinein galten Deserteure des Zweiten Weltkrieges in der Mehrheitsgesellschaft als „Schädlinge“, „Feiglinge“ und „Vaterlandsverräter“. Ein Erinnern fand kaum statt. Der Diskurs wurde wesentlich geprägt von ehemaligen Wehrmachtsrichtern wie Erich Schwinge.
Ihre These von der sauberen Wehrmacht und der antinazionalsozialistischen Enklave Wehrmachtsjustiz fand in der Bundesrepublik der 50er und 60 einen fruchtbaren Boden. Sozialgerichte wiesen Entschädigungen ab, Deserteure – aber auch wegen Wehrkraftzersetzung oder „Kriegsverrat“ Verurteilte fanden sich in schamvollem Schweigen. Die richte machten dafür weiter Karriere.
Erst mit den Arbeiten Manfred Messerschmidts, Fritz Wüllners und der von Jörg Kammler durchegführten Studie zu Kasseler Soldaten brach das Schweigen und eine Debatte setzte ein. Aus der Friedensbewegung heraus entstanden Deserteursdenkmale, die mit verschiedenem Hintergrund denjenigen Gedenken sollten und sollen, die sich dem Krieg entzogen haben. Dabei wurden und werden häufig auch aktuelle politische Bezüge und die Frage nach Krieg als Mittel der Politik in den Vordergrund gerückt. Dabei ist jedoch zu beobachten, dass dieser Blick sich im Laufe der Jahre – auch mit der zunehmenden Akzeptanz von Gehorsamsverweigern veränderte. Festzustellen bleibt. Auch und gerade nach den Entscheidung des Bundestages 2004 bis 2009 alle Opfer der NS-Militärjustiz zu rehabilitieren entstehen neue Formen des Gedenkens und rücken dies gern vergessene Thema in ein neues Rampenlicht.
Trotz aller Rehabilitation ist das aktive Gedenken und Erinnern ein Gebot der Zeit, denn die fortlaufende Auseinandersetzung damit verhindert eine Mumifizierung des Gedenkens, welches am Ende kein Gedenken mehr ist. Das Wissen um Gehorsamsverweigerer hat sich verändert. Die allgemeine Sicht des „Helden“ oder des „Feiglings“ ist weitgehend einer differenzierteren Betrachtung gewichen. Die Suche nach Motiven steht dabei erst am Anfang.
Verurteilungen und Hinrichtungen fanden nicht irgendwo statt. Die Orte lassen sich benennen. Diesen Orten kann und muss auch eine Geschichte zugeordnet werden.
In einer losen Folge werden Denkmale für Deserteure vorgestellt und ggf. mit ihren Besonderheiten und Entwicklungen thematisiert.
Bisher sind erschienen:
Hannover ein neues Deserteursdenkmal für Hannover?
Leipzig der Leipziger Deserteur Fritz Wehrmann
Hintergründe zu Gehorsamsverweigern und eine Übersicht zu Deserteursdenkmalen – sowohl einführend, als auch mit Schwerpunkt Hannover – sind in: Ralf Buchterkirchen „und wenn sie mich an die Wand stellen“ – Gehorsamsverweigerung von Soldaten in und aus Hannover, Neustadt 2011 zu finden. Ausführlichere Informationen hier.
Sollten Sie/ solltest du gerade „dein“ Denkmal hier vermissen oder Informationen ergänzen: Dann mail mir.
Hans-Joachim Wienhold meint
Lieber Ralf,
da ich erst jetzt am Netz bin, kann ich mich nur verspätet bemerkbar machen.
Zu Fritz Wehrmann: Durch den vom Leipziger Komitee für Gerechtigkeit e.V.
für Fritz Wehrmann gestifteten Stolperstein (Träger des Steins ist jetzt das Friedenszentrum Leipzig e.V.) kam das Militärhistor. Museum Dresden bei der Suche einer Opferbiografie eines Matrosen auf mich zu. Folge ohne mein Zutun: Die Biografievon F. W. wurde der von Dönitz gegenübergestellt.
Beachtlich zu der Rolle von Nazi-Offizieren bei der Ermordung von Fritz und ihrer
Karriere danach ist der DDR-Fernsehfilm „Rottenknechte“, 5 Teile, erhältlich bei
Icestorm.
Die Deserteursdenkmale in Potsdam und Erfurt sind sicher bekannt-
Herzliche Grüße von Hans.