Vor 200 Jahren tobte am Rande Leipzigs eine der bis dahin größten Schlachten der Menschheitsgeschichte. Bis zu 500.000 Menschen standen sich gegenüber. 100 Jahre später wird das Völkerschlachtdenkmal als militaristische Trutzburg im nationalistischen Taumel am Vorabend des Ersten Weltkrieges eröffnet. Gedacht wird dem weniger mit Mahnung und Erinnerung, vielmehr nutzt die Stadt Leipzig dieses Ereignis zur eigenen Imagekampagne. In einer bundesweiten Plakatkampagne ist militärisch romantisch verklärt ein Soldat auf dem Feld zu sehen, der sein Pferd streichelt. So wird Krieg verklärt. Am Sonntag, dem 20.10. kulminiert dann die Feierei in einem vierstündigem Spekatkel, in dem die Schlacht nachgespielt wird. Krieg als Wochenendsbelustigung. Überflüssig zu erwähnen, das das Spektakel ausverkauft ist. Ebenso überflüsig festzustellen, dass ganz sicher keine abgehackten Gliedmaßen, Blutseen, Todesschreie, der widerliche Geruch des Todes und der Seuche und das sinnlose Gemetzel gezeigt werden. Dieses Theater ist Kriegspropaganda. Dieses „Kriegstheater“ weitergedacht, wäre es nur folgerichtig, wie der Leipziger Friedensweg in einer Pressemitteilung anmerkt (komplett siehe unten), dies fortzusetzen für die nächsten Jubiläen „Hoffentlich kommt dann nächsten Jahr keiner auf die Idee, für eine erlebbare und lebendige Geschichtsvermittlung zum „Jubiläum“ des 1. Weltkriegs tausende Kilometer Schützengräben von der Ostsee bis zur Schweizer Grenze auszuheben und Giftgas „Made in Germany“ zu horten. Oder zum 75. des 2. WK symbolisch den Sender Gleiwitz zu überfallen und die Westerplatte zu bombardieren. Tucholsky hat Recht: „Jede Glorifizierung eines Menschen, der im Kriege getötet worden ist, bedeutet drei Tote im nächsten Krieg.“ Diese gilt es zu verhindern.“
Der Leipziger Friedensweg ruft zum Protest gegen das Spektakel unter dem Motto: „Friedensfahrt statt Schlachtgetümmel Völkerball statt Völkerschlacht“ mit einer Fahraddemonstration am Sonntag auf. Mehr Informationen gibt es hier.
In einer Leipziger Erklärung unter dem Titel „Leipzig 1813 – 1913 – 2013. Europäische Geschichte. Mehr Friedensverantwortung“ fordert die regionale Friedensbewegung auch gerade aus der Erfahrung von Völkerschlacht und Erstem Weltkrieg: „Kriege lösen keine Probleme und sind deshalb zu ächten.“ Nur eine globale Abrüstung kann frieden sichern und Krieg verhindern. Den kompletten Aufruf gibt es hier.
Auch Kleiner.drei hat einen spannenden Beitrag zum Thema.
dokumentiert: Pressemitteilung des Leipziger Friedensweges: „Völker schlachten? Armeen abschaffen!“
Im Oktober vor 200 Jahren tobte rund um Leipzig die blutigste Schlacht des 19. Jahrhunderts. Um die 5000- Einwohner- Stadt herum standen sich über eine halbe Million Soldaten der napoleonischen Großen Armee (Franzosen, Italiener, Polen, Sachsen, diverse Kleindeutsche…) und der Verbündeten (Russen, Österreicher, Preußen, Schweden, Briten, diverse Kleindeutsche…) gegenüber. Daher der spätere Name Völkerschlacht. Propagandistisch ging es Napoleon um die Verteidigung der Errungenschaften der französischen Revolution gegenüber reaktionären Königshäusern, den Verbündeten um die Befreiung Deutschlands von napoleonischer Fremdherrschaft. Real ging es um wirtschaftliche, dynastische und territoriale Interessen. Der Ausgang der Schlacht sollte über die Vorherrschaft und damit über die weitere politische Entwicklung Europas entscheiden. Die Völkerschlacht-Sieger Russland, Österreich und Preußen zementierten mit der Gründung der Heiligen Allianz 1815 ihre Sicht für die nächsten fünfunddreißig Jahre. Die erhofften und zugesagten demokratischen Freiheiten dagegen wurden den beteiligten Völkern verwehrt.
Am Ende der Schlacht hatten fast 100 000 der direkt Kämpfenden ihr Leben oder ihre Gesundheit verloren, Kollateralschäden nicht eingerechnet. Rund um Leipzig waren die Felder blutgetränkt und mit menschlichen und tierischen Kadavern übersät, die umkämpften Dörfer niedergebrannt, Kirchen und Friedhöfe in mit Sterbenden und Verwundenden überfüllte Lazaretten umgewandelt.
Einhundert Jahre später, am Vorabend des 1. Weltkrieges, wurde im Beisein des deutschen Kaisers das Völkerschlachtdenkmal eingeweiht und damit auf kommendes Schlachten eingestimmt. (Daran ändern weder die eventuellen guten Absichten der Erbauer noch die im Klotz eingebetteten Freimaurerzeichen etwas.)
Genau 200 Jahre später wird nun in der Markkleeberger Weinteichsenke „ein Ereignis von bisher unerreichter Dimension in der Reenactment-Szene“ zelebriert. Fehlen werden in der Darstellung allerdings tote und sterbende Menschen und Tiere, blut- und dreckverkrustete Klamotten, abgerissene Gliedmaßen und herumliegende Körperteile, Massenvergewaltigungen, nachfolgende Seuchen und zerstörte Gemeinden. Macht auch nichts, es geht ja um ein Event wie in der unguten alten Zeit:
30 Minuten Gottesdienst, vier Stunden hauen, stechen und kartätschen und dann eine Gedenkminute.
Da wird uns passend zur Rekrutierungskampagne der Bundeswehr mit Tschingderassabum, klingendem Spiel und Geschützdonner nahegebracht, wie „süß und ehrenvoll es ist, fürs Vaterland zu sterben“.
Die negativen Folgen des damaligen und insbesondere der heutigen Kriege werden bei all der Feierei kaum eine Rolle spielen- von Schlussfolgerungen für aktuelle (Militär-) Politik ganz zu schweigen. Die ja bekanntlich nur die Fortsetzung des Krieges mit anderen Mitteln ist. Alles im Geiste von „Versöhnung und Verständigung“ in einem vermeintlich friedlichen und geeinten Europa, während die unerwünschten Eindringlinge ins gelobte Land an den Außengrenzen absaufen.
Hoffentlich kommt dann nächsten Jahr keiner auf die Idee, für eine erlebbare und lebendige Geschichtsvermittlung zum „Jubiläum“ des 1. Weltkriegs tausende Kilometer Schützengräben von der Ostsee bis zur Schweizer Grenze auszuheben und Giftgas „Made in Germany“ zu horten. Oder zum 75. des 2. WK symbolisch den Sender Gleiwitz zu überfallen und die Westerplatte zu bombardieren.
Tucholsky hat Recht: „Jede Glorifizierung eines Menschen, der im Kriege getötet worden ist, bedeutet drei Tote im nächsten Krieg.“ Diese gilt es zu verhindern.