Der Grüne Ratsherr Daniel Gardemin hat einen Shitstorm ausgelöst, als er am hannöverschen Tabu des Schützenfestes rührte. Einigkeit von SPD, FDP und weiter rechts und auch von grün zeigt sich in der pauschalen Verteidigung des Festes. Natürlich ist es schwierig zu behaupten, dass Schützenvereine per se rechtsoffen sind, dass sie jedoch einen größeren Hang nach rechtsaußen haben, ist unumstritten. Christian Pfeiffer schätzt, dass die Zahl der AfD-Wähler*innen in Schützenvereinen etwa doppelt so hoch ist, wie in der Stadtgesellschaft.
Aufhorchen lässt jedoch auch ein anderer Aspekt, den Gardemin einbrachte: Eine Gedenkminute für Walter Lübcke mit der Begründung, dass es ein Sportschütze gewesen sei, wurde pauschal abgelehnt, anstatt zumindest darüber nachzudenken. Hier verneinen die Vereine jede Verantwortung. Das ist falsch. Klar ist, dass Waffenvereine rechte Militärnarren anziehen, insbesondere da es außerhalb von Polizei und Bundeswehr, die bekanntlich ihre eigenen Probleme mit Rechtsextremen haben, keine legale Möglichkeit gibt, mit Waffen zu hantieren und zu üben.
Waffen sind dazu da, Menschen oder Tiere zu erschießen. Das ist deren Sinn. Das mit Sportschützentum zu verharmlosen, schlägt fehl.
Ein Feiern dieses Sportschützentums, wie es das Schützenfest tut, verbunden mit seinen patriarchalen, von Männlichkeitsnormen und Uniformen dominierten Kult, ist absurd. Dass sich verschiedene zivile Einrichtungen anbiedern, bis hin zu einem eigenen Gaypeoplezelt (mit Stripshow(!)), ist ein Armutszeugnis für eine Stadt, die offensichtlich keine anderen Möglichkeiten hat, als dieses Fest das auf militärischen Strukturen begründet ist dafür zu nutzen. Dass sich Hannover zudem noch brüstet, das weltweit größte Schützenfest zu haben, sagt einiges über das Verhältnis von Stadtkultur und Militär aus.
Schützenvereine entstanden einst als von Bürgern organisierte Wehrvereinigungen der Städte, wurden später obsolet und wandten sich dem Sportschützentum zu, blieben jedoch in ihren alten Traditionen und Bräuchen verhaftet. Das ist im Ergebnis nicht nur anachronistisch, sondern reaktionär. Das zeigt sich auch am Umgang mit Frauen. Vielerorts konnten Frauen erst Mitglied werden, als den Vereinen gedroht wurde, ihnen die Gemeinnützigkeit zu entziehen. Der Kampf darum, ob ein Schützkönig (also der Sieger des Schützenwettbewerbs des Vereins, der nicht nur Prestige, sondern auch Kosten mit sich bringt) auch eine Frau sein könnte, wird bis heute erbittert geführt. In Hannover fand man eine scheinbar salomonische Lösung: Um den Männern nichts wegzunehmen, wird in einen Zweitwettbewerb die Schützenkönigin ermittelt. Das ist klassisches Vorgehen für Machterhalt der alten Strukturen und symptomatisch für das Wirken von Schützenvereinen.
Und so werden morgen wieder Schützenverein an Schützenverein durch Hannover ziehen. Uniformiert und damit potentiell bedrohlich. Bleibt zu hoffen, dass dieses auf militaristischen Regeln basierende Event ein baldiges Ende findet. Auch zivile Feste lassen sich feiern – gern auch mit schwuler Stripshow. Vielleicht höhlen ja viele kleine Steine das Tabu. Es wird Zeit, offen über das Schützenwesen in Hannover zu sprechen!