Bereits in den vergangenen Jahren bewegte sich die Werbung der Bundeswehr im Sport auf hohem Niveau. Das ergaben frühere Anfragen der Linksfraktion. Auf diesem Blog habe ich dazu bereits mehrfach berichtet, insbesondere über die besondere Rolle bei Hannover 96 und dem Rostocker FC. Ziel der Werbung der Bundeswehr sei es, primär 17-35 Jährige sowie sekundär alle bis 65 als Multiplikator_innen anzusprechen, so geht es zumindest aus der Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Linksfraktion vom August 2015 (Bundestags-Drucksache 18/5942) hervor.
An Minderjährige würde sich die Werbung nicht gezielt richten. Dazu gleich mehr. Inhaltlich wird aus der Drucksache deutlich, worum es ihm geht, nämlich darum, die Schnittmengen zwischen Sport und Kriegshandwerk für die eigenen Zwecke zu nutzen. So heißt es: „Kommunikationsinhalte bei Maßnahmen im sportlichen Umfeld sind Fähigkeiten und Eigenschaften, die sowohl im Sport als auch bei einer Tätigkeit in der Bundeswehr als Voraussetzung gelten: Teamgeist, Kameradschaft, Leistungsbereitschaft, körperliche Fitness, hohe Motivation und Flexibilität“. Selbstredend sind andere Tugenden des Sports, wie Fairplay und die Friedlichkeit des Wettstreits und gegenseitige Achtung nicht Bestandteil der Aufzählung. Offen wird die Vereinnahmung der Begeisterung insbesondere junger, aber auch älterer Menschen für Mannschaftssport (insbesondere Fußball, aber auch Handball, Basketball und Volleyball) als wichtiger Ankerpunkt benannt, an dem das Militär ansetzen will. Die Bundeswehr schätzt den Erfolg ihrer Maßnahmen als hoch ein, spricht insbesondere von einer hohen positiven Resonanz, kündigt jedoch gleichzeitig eine Neukonzeption der Sportkooperation an, sicher auch um der in den letzten Jahren vermehrt vorgetragenen Kritik der lokalen Günstlingswirtschaft entgegenzutreten (so beim Rostocker FC).
Der eigentlich spannende Teil der jährlichen Analyse der Werbung der Bundeswehr im Sport muss leider weitgehend ausfallen – und das ist ein politischer Skandal. Das Bundesministerium für Verteidigung sieht es inzwischen als gefährlich an, wenn Informationen über die Höhe der verwendeten Mittel ruchbar würden. Im Gegensatz zu den letzten Jahren hat sie die Informationen über ihre Sportförderung als „Vertraulich – Nur für den Dienstgebrauch“ eingestuft, um so Transparenz über ihre Werbeaktivitäten zu verhindern.
Einige wenige Zahlen gibt es dann doch: Für das bundeswehreigene Jugendsportevent „BW-Olympix“ im Jahr 2014 wurden 490.000 EUR ausgegeben. Daran teilgenommen haben ca. 800 Personen zwischen 16 und 17 Jahren. 2015 fand „Bw-Beachen“ in Ingolstadt und Warendorf statt. Kosten 545.000 EUR, erreichte Zielgruppe: 1.000 Jugendliche von 16-17 Jahren. Da kommen wir wieder zurück auf die eingangs gemachte Aussage zur Zielgruppe der Bundeswehrwerbung: Sie scheint sich entgegen der in der Drucksache dargestellten Sicht sehr deutlich im Bereich der Heranwachsenden zu bewegen. Um nicht die völkerrechtlichen Normen bzw. Empfehlungen zur Rekrutierung Minderjähriger zu verletzen, bezeichnet die Bundeswehr diese Veranstaltungen nicht als Rekrutierungsmaßnahme, sondern als „authentische persönliche Dialogplattform im Rahmenprogramm mit Soldatinnen und Soldaten“, mit dem Ziel allgemeines Interesse zu wecken.
Doch zurück zu den originären Werbemaßnahmen, also solchen unabhängig von eigenen Veranstaltungen. Sie dürfte sich mindestens auf dem Niveau des Vorjahres bewegen. Im Jahr 2014 betrug der Etat der Bundeswehr für Sportsponsoring im Fußball 349.000 Euro (TAZ v. 28.9.2014). Hinzu kommt noch die Förderung anderer Veranstaltungen und von Vereinen außerhalb des Fußballs sowie die Durchführung von bundeswehreigenen Veranstaltungen. Ebenso hinzuzurechnen sind die so genannten „Sportsoldaten“, Frauen und Männer, deren Einsatz von Seiten der Bundeswehr gerade mit Blick auf Werbewirkung und Prestige erfolgt. (Der Etat für den letzteren Bereich müsste sonst nicht über die Bundeswehr laufen, sondern es könnten die Mittel aus dem Staatshaushalt direkt in die Sportförderung gehen, ohne Umweg über das Militär.)
Die Ergebnisse dieser hohen Investition (und damit verdeckter staatlicher Förderung einzelner Vereine) sind überschaubar. Die Interessent_innen-Datenbank – darin werden Jugendliche aufgenommen, die der Nutzung ihrer Dtaen zugestimmt haben, – umfasse, laut Angaben der Bundeswehr, im Zeitraum von 2010 und 2014 zwischen 620 (2014) und 1.080 (2011) Interessent_innen jährlich. An diese Interessent_innen werden (obwohl nur einmal jährlich) insgesamt 10.000 Anschreiben erstellt.
Wer sind aber nun die Begünstigten des finanziellen Engagements der Bundeswehr? Insgesamt wurden 2014 56 Vereine durch die Bundeswehr gefördert, im ersten Halbjahr 2015 waren es 47.
Konkret für den Fußball sagen die Zahlen folgendes (wenn nicht anders angegeben bezieht sich die Förderung der Bundeswehr auf die beiden Jahre 2014 und 2015): Als Erstligist ist zum langjährigen Partner und dessen militärfreundlichen Präsidenten Martin Kind Hannover 96 ein zweiter Bundesligist gestoßen – und zwar Bremen. Seit 2014 wirbt Werder Bremen nicht nur mit unappetitlichen Hühnern aus Massentierhaltung, sondern auch mit dem deutschen Militär.
Der VfR Aalen(2014), KSC Karlsruhe(2014), Holstein Kiel, Union Berlin, der 1.FC Nürnberg(2014), Carl Zeiss Jena(2014) und der Chemnitzer FC (2014) zeigten sich ebenfalls militärfreundlich. Unterstützt wird weiterhin der gesamte Berliner Fußballverband. Aus den unterklassigen Ligen werden finanziell gefördert:
- BV Cloppenburg
- FV Lörrach-Brombach
- Rostocker FC 1895 e.V.
- FC Grün-Weiß Piesteritz (2014)
- TSV Rudelzhausen 1948 e.V.
- FC Donauwörth 08 e.V. (2014)
- Sportverein Puch e.V.
- TSV 1960 Herbertshofen (2014)
- TSV 1863 Schwabmünchen (2014)
- JFG Höllental (2014)
- ASV Stockenroth
- SV Schalding Heining
- JFG Bayreuth West e V
- SpVgg SV Weiden e.V.
- VfR 1925 Schneckentohe e V
- TSV Wolkersdorf 1956 e.V.
- TSV 1861 Nördlingen e.V.
- SV Union Neuruppin (2015)
- SV Blau-Weiß Petershagen/Eggersdorf (2015)
- VfL Halle 1896 e.V. (2015)
- JFG Bayreuth West e.V. (2015) – nur Kinder- und Jugendmannschaften
- WSC Frisia WHV (2015)
Kaum beachtet wurde bisher der Handball. In der angeblich stärksten Liga der Welt ist die Bundeswehr Hausherrin in der halben Liga! Vielleicht sollte angesichts der Zahlen eine Umbenennung in Bundeswehr-Liga vorgenommen werden (dieser kleine Sarkasmus sei hier gestattet). Den DKB Handball Supercup unterstützt das Militär bereits:
- SG Flensburg-Handewitt
- VFL Schwartau
- HSG Varel-Friesland
- FrischAuf! Göppingen
- Füchse Berlin GmbH
- SC Magdeburg (2014)
- Wilhelmshavener HV (2014)
- SG Suhrheide/Schiffdorferdamm (2014)
- HSG Wilhelmshaven (2014)
- TSV 1846 Isny e.V. (2014)
- EHV Aue (2015)
Weitere Kooperationspartnerschaften finden sich im Volleyball, im Basketball, dem Ringen, dem Boxen und dem Motorsport
Um den Rahmen nicht zu sprengen wird an dieser Stelle auf eine Analyse der unterstützen Sportevents verzichtet. Diese sollen in einem gesonderten Artikel beleuchtet werden.
Zusammenfassend ist festzustellen: Die Auswahl der Vereine lässt auch in diesem Jahr keine klare Struktur erkennen. Ein Großteil der Zweitligisten hat – auch durch zunehmende öffentliche Problematisierung – mittlerweile keine Verträge mehr. Dazu gekommen sind hingegen verschiedenste unterklassige Vereine, andere steigen aber auch hier aus der Militärwerbung aus. Insgesamt lässt sich eine hohe Fluktuation erkennen, mit nur einigen wenigen Konstanten, die sich durch die konkrete Unterstützung vor Ort erklären lassen. Hannover 96, Union Berlin, der Rostocker FC, Holstein Kiel und FV Lörrach-Brombach sind solche Vereine. Hier lässt sich die Bundeswehr die Unterstützung der Militärfreundlichkeit einiges kosten. Das heißt im Umkehrschluss auch – Widerstand gegen die Militärwerbung muss gerade auch direkt lokal, vor Ort geschehen. In Rostock und Hannover gibt es schon entsprechenden Widerstand, der bei den Vereinschefs aber noch nicht fruchtet.
Die Bundeswehr hat ein politisches Interesse, im öffentlichen Raum als „normale Arbeitgeberin“ wahrgenommen zu werden. Die geringen Zahlen an Interessierten zeigen aber, dass ihr Konzept über Sportförderung Interessent_innen zu werben, nicht aufgeht. Der Erfolg ist überschaubar, bei hohem finanziellem Aufwand. Dennoch: Die Sportförderung durch das Militär führt dazu, dass es zunehmend das Zivile prägt und der Militarisierung der Gesellschaft Vorschub leistet. Gerade auch deshalb ist weiter die tägliche Auseinandersetzung notwendig, um der zunehmenden Militarisierung des Zivilen etwas entgegen zu setzen.