Demonstration: Freitag, 29. Mai 2015, 18 Uhr, Hannover- Nordstadtbahnhof
Mit Wut und Bestürzung haben wir die aktuellen Meldungen über die rassistische Polizeigewalt in der Dienststelle der Bundespolizei in Hannover zur Kenntnis genommen. Doch genauso wütend macht uns bereits der Auftakt der Aufarbeitung der Vorfälle. Bereits im Vorfeld spricht ein Oberstaatsanwalt laut NDR davon, dass der „Vorwurf […] sehr bedenklich und einmalig wäre“.
Obwohl die bisher bekannt gewordenen Vorfälle ungeheuerlich sind, einmalig oder überraschend sind sie nicht. Oury Jalloh wurde 2005 in einer Polizeizelle in Dessau verbrannt. Nach 10 Jahren von der Polizei behinderter Aufarbeitung im Ermittlungsverfahren und vor Gericht sprechen die beteiligten Behörden immer noch von einer Selbstverbrennung, obwohl Gutachten diese ausschließen. Laye Condé ertrank 2005 im Bremer Polizeigewahrsam durch das zwangsweise Verabreichen von Brechmitteln und Wasser in Polizeigewahrsam. Amir Ageeb erstickte, weil Beamte während seiner trotz bekannter Suizidabsichten durchgeführten Abschiebung im Flugzeug seinen Kopf minutenlang auf seine Brust drückten. Der 16jährige Halim Dener wurde 1994 beim Plakatieren in der hannoverschen Innenstadt von einem Polizisten durch einen Schuss in den Rücken getötet. Die Liste ist lang…
In Hannover sind in der Vergangenheit immer wieder Angriffe durch Polizeibeamte, v.a. in der berüchtigten Herschelwache nahe des Bahnhofs, bekannt geworden.
Solche Angriffe sind kein Zufall und auch nicht das Werk von Einzeltäter_innen! Vielmehr sind sie eine logische Konsequenz in einem System, in dem Polizist_innen Gewalt anwenden, ohne Konsequenzen befürchten zu müssen, da sie davon ausgehen können, im Sinne eines widerlichen Korpsgeistes von Kolleg_innen und Vorgesetzten durch Wegesehen und Falschaussagen gedeckt zu werden, ohne das dies durch Staatsanwaltschaft und Richter*innen eingehend untersucht wird. Amnesty und der Republikanische Anwältinnen- und Anwälteverein e.V. (RAV) kommen auf 1-3% angeklagter Fälle nach Anzeigen bezüglich Polizeigewalt. Sie enden meist mit Freisprüchen.
Es ist kein Geheimnis, dass von Polizeigewalt Betroffene statt einer Aufklärung eher weitere Repressionen zu erwarten haben, wenn sie Vorfälle zur Anzeige bringen oder publik machen. Die Rede von „Einzeltätern“ erstickt einen längt fälligen Diskurs über Polizeigewalt und blendet die streng hierarchische Organisation einer Institution wie der Polizei völlig aus.
Dass bei vielen besonders heftigen Fällen von Polizeigewalt neben Wohnungslosen und Linken in besonderem Maße People of Colour, Schwarze und/oder Geflüchtete betroffen sind, ist kein Zufall! Gewalttaten gegen Menschen, die auf irgendeine Art nicht ins rassistische Bild passen, sind ein Bestandteil der deutschen Gesellschaft. Der rassistische „Normalzustand“ wird durch rassistische Sondergesetze wie das deutsche Asylrecht und rassistische Polizeipraxis wie Racial Profiling institutionalisiert. Eine auf wirtschaftliche Verwertbarkeit und rassistischem Ausschluss bauende Gesellschaft provoziert rassistische und gegen „nicht gut ausgebildete“ Geflüchtete gerichtete Gewaltexzesse durch uniformierte Einsatzkräfte und Andere. Menschen werden auf ihre (vermeintliche) Herkunft oder ihren Passbesitz sowie ihre vermeintliche wirtschaftliche Leistungsfähigkeit reduziert.
Das Problem heißt Polizeigewalt!
Das Problem heißt Rassismus – in staatlichen Behörden und in der Gesellschaft!
Antirassistische Gruppen und Einzelpersonen aus Hannover