Er hat es schon wieder (nicht) getan. Der CSD Hannover, der auch schon vor einigen Jahren damit auffiel, auf politische Inhalte zu verzichten, wird sich auch in diesem Jahr nicht als politische Veranstaltung präsentieren und nicht für die Rechte intergeschlechtlicher, transgender, lesbischer, schwuler, queerer Menschen streiten. Lieber rückt man sich mit dem Schirmherren, dem Fußballverein Hannover 96, in der Stadtgesellschaft ins richtige Licht – Anecken verboten! (Wobei ich niemanden unterstellen möchte, dass die Schirmherrschaft etwas mit den mangelnden Inhalten zu tun hat).
Gab es früher einmal durchaus politische Forderungen und konnten im vergangenen Jahr daran anschließend politische Forderungen durchgesetzt werden (https://www.hannovercsd.de/forderungen-des-csd/), so verfällt man in Hannover gerade im Bundestagswahljahr in politische Lethargie. Stattdessen wird mit dem weichen Motto #mitdenken für die Veranstaltung geworben. Mitdenken meint dabei, so der Veranstalter in einer Presseerklärung: „Darunter verstehen wir, dass Zusammenhalt in der Gesellschaft und Einsatz füreinander nur möglich sind, wenn sich Menschen aktiv einbringen.“ Seichter geht es wohl kaum. Allgemeines ehrenamtliches Engagement als Hauptforderung zum Christopher Street Day zu stellen, in einer Gesellschaft, die Diskriminierung nicht nur von LGBTIQ* immer noch für ein opportunes Mittel im Wahlkampf hält, die geflüchtete Menschen abschiebt und deren gesellschaftliche Verrohung ungeahnte Ausmaße annimmt, ist geradezu grotesk. Es handelt sich auch um eine Gesellschaft, in der Hassreden zum Normalzustand werden, in der Rechtsextreme wie die AfD den Diskurs bestimmen und einmal mehr mühsam errungene Fortschritte zurückgedreht werden. Ganz zu schweigen, von notwendigen Weiterentwicklungen: Abschaffung der Ehe als Privileg; gleiche Rechte für alle Geschlechter; offene Grenzen für Menschen; Abschaffung des Begutachtungszwangs gegen Trans*-Personen (wie er noch im Transsexuellengesetz vorgeschrieben ist), Verbot der geschlechtszuweisenden und -vereindeutigenden Eingriffe, wie sie noch immer gegen intergeschlechtliche Kinder angewandt werden; Fragen emanzipatorischer Bildung etc. Der CSD hätte durchaus viel Auswahl gehabt – und er hätte politisch sein müssen, um überhaupt einen Sinn zu haben.
Selbst das begleitende Kulturprogramm verzichtet weitgehend auf Politik. Es fand zwar eine Veranstaltung zu Rechtspopulismus statt – aber dann direkt an einem für Veranstaltungen unbekannten und unpolitischen Ort, dem Intercity Hotel. Die zweite Veranstaltung, die vorgab, politisch zu sein, schloss dann an die gerade kritisierten rechtspopulistischen Vorstellungen des „Man wird es doch nochmal sagen dürfen“ daher: Die Herausgeber_innen des Buches „Beißreflexe“ rechneten mit jener queeren und queerfeministischen Szene ab, in der auch Antisemitismus und Rassismus problematisiert und angegriffen werden. Das ist der CSD Hannover 2017. Danke, dann diesmal wieder ohne mich.
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