Der Platz vor der Musikhochschule Hannover wurde 1933 durch die Nationalsozialisten nach Otto von Emmich benannt. Bis 2017 hat es gedauert, bis diese Benennung ernsthaft in Frage gestellt wurde. Als selbst die Bundeswehr den Namen als Namen der Emmich-Cambrai-Kaserne nicht mehr tragbar fand und ihre Kaserne in Hannover umbenannte, war eine Neubenennung des Platzes praktisch beschlossene Sache.
Wer war Otto von Emmich?
Emmich gilt als ‚Schlächter von Lüttich‘. Er war zentral schon in die ersten militärischen Handlungen des Ersten Weltkriegs involviert, bei denen es auch zu massiven Übergriffen durch die Soldaten gegen die Zivilbevölkerung kam. Diese blutige Geschichte ihrer ‚Garnisonsstadt‘ und die Biographien der Akteure sind den meisten Hannoveraner_innen unbekannt.
Im Ersten Weltkrieg wurde Lüttich in ein Trümmerfeld verwandelt. Zu Beginn des Ersten Weltkriegs führte General Otto v. Emmichs Armeekorps im August 1914 die erste größere Aktion des Krieges durch, die Eroberung von Lüttich, wodurch dem nachrückenden deutschen Heer der Weg nach Frankreich freigemacht werden sollte. Dafür wurde ihm als erstem deutschem Offizier während des Krieges der Orden Pour le Mérite verliehen. Nachdem deutsche Truppen in der Nacht zuvor in das neutrale Belgien einmarschiert waren, was ein eindeutiger Bruch des Völkerrechts war, kam es zu unfassbaren Ausschreitungen gegen die belgische Zivilbevölkerung: Plünderungen, Brandstiftungen, Massenhinrichtungen und Vergewaltigungen. Die Bürger der Stadt leisteten heftigen Widerstand, die deutschen Soldaten gingen mit großer Brutalität vor. Mehr als 800 Zivilist_innen starben.
Emmich starb im Dezember 1915 in Hannover bei der Durchreise an einer im Herbst ‚im Felde‘ zugezogenen Krankheit. Seine Beisetzung fand unter großem militärischem Pomp in Hannover statt. Die Stadt spendierte ihm ein Ehrengrab, das auch heute noch unter erheblichem Aufwand erhalten wird.
Das sieht inzwischen auch die Stadtverwaltung und der (entscheidende) Statbezirksrat Mitte so. Spätestens im September soll eine Umbennenung des Platzes erfolgen. Im Gespräch sind neben ehemaligen Musikdirektoren auch eine Rückbesinnung auf dem Namen, den der Platz vorher hatte: Am Neuen Haus. Zu dieser Benennung gibt es jedoch keinen praktischen bezug mehr, es wäre die einfachste Lösung, aber vor allem auch eine Lösung der vergebenen Chance.
Wir, das heisst die DFG-VK schlagen eine Umbennung in Alma Rosé Platz vor.
Alma Rosé war – trotz ihrer jungen Jahre und ihres frühen Todes durch die Verfolgung des NS-Staates – eine hervorragende Musikerin. Nach ihrer Unterbringung in das KZ Auschwitz leitete sie das Mädchenorchester von Auschwitz bis zu ihrem Tod im April 1944. Alma Rosé, geboren am 03. 11. 1906 in Wien, war eine hochbegabte Geigerin jüdischer Herkunft. Sie wurde als Tochter von Arnold Rosé und dessen Frau Justine Mahler in eine Musikerfamilie geboren (Vater Konzertmeister der Wiener Hofoper und Leiter des weltbekannten Rosé-Quartetts, ihr Onkel war der Komponist Gustav Mahler, ihre Patentante Alma-Mahler-Werfel).
Seit 2014 ist Hannover ‘UNESCO City of Music’. Hannover steht für musikalische Vielfalt, musikwirtschaftliche Potenz und Exzellenz in der musikalischen Bildung. Mit der Hochschule für Musik, Theater und Medien gibt es hier eine international geschätzte Institution für die Spitzenförderung.
Menschliche Würde gegen Tod und Verbrechen: Das Mädchenorchester von Auschwitz, von der Lagerleitung zur Erbauung des Personals gedacht, war für diejenigen, die dort musizierten, trotz der damit beabsichtigten Erniedrigung, ein Ort der Würde und des Überlebens: Es gab die Möglichkeit, sich professionell zu betätigen und trotz der eingebrannten Nummer ein Mensch mit Würde zu sein. Die Musik ermöglichte immer wieder einen Weg aus Flucht und Verzweiflung und die Hoffnung „nicht im Rauch das Lager Auschwitz zu verlassen“ (Lasker-Walfisch). Alma Rosé rettete mindestens 10 Menschen vor der Gaskammer.
Die Bedeutung von Erinnern für eine lebenswerte Zukunft: Für junge Menschen, insbesondere diejenigen, die an der Hochschule für eine professionelle Tätigkeit als Musiker_innen ausgebildet werden, kann Alma Rosé – gerade in Zeiten, in denen Antisemitismus in Deutschland wieder Thema ist – ein Vorbild sein: an eine Zeit zu erinnern, die niemals wiederkommen darf, und an Menschen, die als Todgeweihte ihre Würde behielten und anderen Menschen in derselben Situation noch helfen konnten und dies auch getan haben.
Bislang gibt es in Deutschland keinen Platz, keine Straße, die an Alma Rosé und das Mädchenorchester erinnert. Das kann und muss sich bald ändern.